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Digital In Arbeit

Drastischer sozialer Abstieg

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In nicht wenigen Fällen führt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Leitenden Angestellten bei diesem zu einem sozialen Abstieg, der erheblich drastischer ist als etwa bei einem pensionierten Arbeiter, der zum Beispiel auf 60 Prozent seines Aktiveinkommens absinkt, wenn er in Pension geht. Da die Leitenden Angestellten von der Pensionsversicherung lediglich Zahlungen nach der Höchstbemes-sungsgrundlage erhalten, sind sie bei der Pensionierung auch auf den Fonds angewiesen, auf den sie als Abfertigung Anspruch haben, sowie auf Zuzahiungen des Unternehmens (Betriebspensionen). Anderseits besteht aber bei Angehörigen des Managements eine Aufwandsrema-nenz bei gewissen Haushaltsausgaben, etwa bei den Ausgaben für die Wohnung. Jedenfalls gleicht däe soziale und wirtschaftliche Lage mancher „Führungskräfte i. P.“ bedenklich der Lage jener nur manuell tätigen Arbeitnehmer, die proportional dem Rückgang ihrer physischen Kräfte oft schon ab dem 40. Lebensjahr ein absinkendes Einkommen haben, wogegen sie mit einem vermehrten Einsatz ihrer Körperkraft anzukämpfen suchen, ein Verhalten, das in vielen Fällen zu Frühinvalidität oder zum vorzeitigen Berufstod führt.

Wie immer man nun, und oft emotional bestimmt, die Lage der Angehörigen des Managements beurteilt: In nicht wenigen Fällen sind sie Pragmatisierte auf Zeit; wie etwa die nichtständigen Hochschul-assistenten.

Eine verläßliche Zählung für den Markt der Leitenden Angestellten fehlt, vor allem, weil sie sich nach Freisetzung meist nicht bei der Arbeitsverwaltung melden. Anderseits bestehen einige und eingangs als atypisch bezeichnete Arbeits-märkte für die postensuchenden Angehörigen des Managements:

• In den westlichen Ländern haben sich Unternehmensberater nebenher (hauptberufMdh dürften sie dies nicht tun, zumindest nicht mit Erwerbs-absicht) in der Vermittlung von Arbeitnehmern engagiert, die sie selbst als Führungskräfte klassifizieren.

• Von amtlicher Seite besteht in der BRD eine „Zentralstelle für Arbeitsvermittlung“ (ZAV) in Frankfurt am Main, die auf Bundesebene jene Arbeitnehmer betreut, die keine Arbeitnehmer lediglich im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes (Paragraph 4, Abs. 2 a bis c) sind beziehungsweise sein wollen. Auch in Österreich gibt es im Rahmen der Arbeitsmarktverwaltung eine Ausgleichsstelle für Führungskräfte („Bundesausgleichsstelle der Arbeitsämter Österreichs“, Wien I, Hohen-staufengatsse 2).

Die von der bundesdeutschen ZAV vorgelegten Ziffern („Der Volkswirt“ Nr. 4/1967) weisen darauf hin, daß trotz der Arbeitsmarktlage heute einzelne Berufs- und Ausbildungsgruppen innerhalb der Leitenden Angestellten weiterhin sehr gefragt werden wie etwa die Ingenieurkaufleute. Weniger die Nur-Kaufleute. Ebenso erfährt man, daß in einzelnen Branchen noch immer steigender Bedarf besteht, so zum Beispiel in der Regeltechnik und in der Chemie, nicht aber bei der Kunststoffverarbeitung und schon gar nicht im Montanbereich,in dem es immer noch zu Kapazitätsaufgaben kommt. Ganz besonders erfolgt die Freisetzung von Fübrungskräften im Außendienst, der nach Angabe eines Fachmannes in der Vermittlung von Führungskräften zum „Sammeltopf von Be-rufswechslern“ geworden ist und dessen Angehörige jetzt vielfach durch die Vorfabrikation des Verkaufes im Erzeugerbetrieb, also mittels des Marketing, ersetzt werden. • Nicht weniger sichtbar machen den Arbeitsmarkt von Führungskräften die Zeitungsanzeigen. In den letzten Monaten hat sich die Zahl der in der Presse der BRD angebotenen offenen Stellen außerordentlich verringert, vor allem, weil die Leitenden Angestellten selbst weniger kündigen. Anderseits steigt die Zahl der ihre Arbeitskraft anbietenden Führungskräfte. Auch in Österreich. In drei Nummern der Wochenschrift des Industriellenverbandes („Die Industrie“) bieten sich ungefähr 60 Arbeitskräfte an, die nach dem Anzeigentext weithin dem Management zuzurechnen sind.

Die bundesdeutsche Wirtschaftsentwicklung, die man nicht allzu leichtfertig schon jetzt als Krise bezeichnen sollte, hat nun auch den Arbeitsmarkt der Leitenden Angestellten erreicht. Dieser spiegelt ebenfalls die Tatsache, daß Ende Jänner 1967 in der BRD mehr als 620.000 Arbeitslose gezählt wurden (Jänner 1966: 268.000, dagegen i960: 684.000), wozu bedingt noch 240.000 Kurzarbeiter kommen. Im Februar setzte sich die Entwicklung fort, wenn auch die Zuwachsrate erheblich geringer gewesen ist.

Man darf nicht annehmen, daß die Lage auf dem typischen Arbeits-markt von den Unternehmungen in die Freisetzung von Leitenden Angestellten übersetzt wird. Da die Führungskräfte im allgemeinen — wie angegeben — langfristige Verträge haben, kann eine Freisetzung nur so weit und derart erfolgen, daß Verträge nicht mehr erneuert werden.

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