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Wissenschaftlicher Stoßtrupp

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In diese Periode fällt auch die Errichtung der Ämter der „Gaubodendenkmalpfleger" — heute Landesarchäologen — in den österreichischen Bundesländern. Nicht fachliche (akademische) Vorbildung, sondern Parteizugehörigkeit und weltanschauliche Lenkbarkeit gaben den Ausschlag für ihre Bestellung. Ihnen und der Abteilung für Ur- und Frühgeschichte am Denkmalamt war auch die „Sicherstellung“ der Bodenfunde in den besetzten Gebieten und bei dem Heranrücken der italienischen Front auch in Friaul (Langobardenreich!) als Mitglieder des SD (Sicherheitsdienstes) anvertraut. Nicht selten trübt die Erinnerung an diese Tätigkeit heute noch das Verhältnis zwischen ausländischen und inländischen Forschern und bestimmt die Beurteilung ihrer weiteren Arbeit.

Eine für das Inland aber gefährlichere Entwicklung ist es, wenn die amtliche Betreuung der archäologischen Belange in allen Bundesländern, mit Ausnahme von Oberösterreich, weiterhin Prähistorikern und Amateuren (mit den dargelegten Affiliationen) überlassen ist, deren Ausbildung, abgesehen von der weiterhin wirkenden weltanschaulichen Bindung, nicht dazu angetan ist, eine den prähistorischen und frühgeschichtlichen Entwicklungsphasen nicht entsprechende Kulturperiode wesensgerecht zu interpretieren.

Dieser Terrainverlust der Provinzialarchäologen kam jedoch nicht ohne ihre eigene Mitschuld zustande. Sie haben sich vielmehr die von den Prähistorikern angewandten Methoden, u. a. der keramischen Typenreihe und der darauf basierenden Siedlungsarchäologie, angeeignet, vielleicht ohne die inneren Zusammenhänge der prähistorischen und frühgeschichtlichen Mission zu kennen. Sie schlossen sich ferner den offiziellen Bestrebungen, bodenständige (einheimische) Elemente (in der Hauptsache keltischen [?] oder germanischen [?] Ursprungs) innerhalb des römerzeitlichen Fundgutes herauszuarbeiten, willig an.

Das unbewältigte Erbe

Das führte in Deutschland dazu, daß während des Dritten Reiches beinahe keine Provinzialarchäologen ausgebildet wurden, weil die Ablehnung alles Römischen ein Imperativ war, dem wenige sich zu widersetzen wagten.

Auch in Österreich stellte man bereits seit den zwanziger Jahren Wehranlagen (prähistorische Wälle und spätantike Fliehburgen, die seither als die Vorläuer der deutschen Burganlage gelten), heidnische Kult- und Opferstätten, Riten und Gebräuche, die sich ihnen auf dem Umweg über die Volkskunde erschlossen, in den Vordergrund des Interesses. Grabungen unter der Leitung von SS-Führern (zum Beispiel 1939 bis 1941 in Karnburg, Kärnten) wurden zur Erforschung karolingischer Pfalzen unternommen.

Es ist aber erfreulich, feststellen zu können, daß die Forschungsarbeit unserer Archäologen nach dem Kriege in bedeutenderem Maße wieder die Überreste des Frühchristentums berücksichtigt.

Von einem Versäumnis aber kann

man diese Gruppe nicht freisprechen; sie, die nach den politischen Umwälzungen des Jahres 1945 ihre Anstrengungen wieder erfolgreich darauf wandte, ihre bis dahin innegehabten Positionen zurückzuerobern und zu festigen, haben es unterlassen, die den Prähistorikern einst aus politischen Gründen zugefallenen Aufgaben wieder in den wissenschaftlichen und akademischen Bereich zurückzuführen, wofür viele ausgebildete junge Archäologen bereit waren, die diesen Prozeß der Verpolitisierung einer Wissenschaft bewußt erlebt hatten und diesem ablehnend gegenüberstanden. Sie mußten inzwischen in andere Berufe abwandern.

Die Gruppe der Ur- und Frühgeschichte, ebenso wie die der provinzialrömischen, Forschung haben, entgegen den berechtigten Erwartungen, jedoch das Konzept ihrer einstigen großzügigen Auftraggeber, im Sinne einer fruchtbaren Siedlungsarchäologie zu wirken, bis zum heutigen Tag keiner objektiven Prüfung unterzogen. Sie haben vielmehr die fraglichen Methoden dieser Arbeitsweise beibehalten, vor denen sie schon Moritz Hoernes 1905 warnte. In jüngerer Zeit (1941) mahnte Ernst Wahle: Die typologische Siedlungsarchäologie ist nicht dazu angetan, der Prähistorie — und der nach ihrem Beispiel arbeitenden Provinzialarchäologie — den Charakter einer Geschichtswissenschaft zu wahren.

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