Ein Plädoyer für den Zusammenhalt

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Heribert Prantl, Leitartikler der "Süddeutschen Zeitung", porträtiert in seinem neuen Buch 40 Menschen unterschiedlichster Art. Sein Anliegen dahinter: Entgegen dem Hang zur Resignation aufzuzeigen, dass ein Einzelner sehr wohl einiges bewirken kann.

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Heribert Prantl, Leitartikler der "Süddeutschen Zeitung", porträtiert in seinem neuen Buch 40 Menschen unterschiedlichster Art. Sein Anliegen dahinter: Entgegen dem Hang zur Resignation aufzuzeigen, dass ein Einzelner sehr wohl einiges bewirken kann.

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Zugegebenermaßen ein völlig deutsches Buch: 40 Porträts von Menschen, die sich in ihre Gesellschaft einbringen oder eingebracht haben. Künstler, Politiker, Richter, Förster - alles Menschen, die im deutschen Raum Verantwortung zeigen und ihren Beitrag als Erfolg oder auch als Scheitern betrachten. In jedem Text geht es darum, was schon allein ein Einzelner bewirken kann. Trotz komplexer Herausforderungen der Gesellschaft zeigt sich, dass die Übernahme von Verantwortung keine aussichtslose Sache ist. Genau hier liegt die aktuelle beispielgebende Bedeutung für den Leser.

Der Autor, Heribert Prantl, ist nicht nur Ressortleiter für Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung und Mitglied der Chefredaktion; Prantl ist vielmehr eine Institution für aufrichtigen Journalismus, dem es um den Menschen geht. Mag er manchmal etwas moralsauer daherkommen, immer steht er unverbogen und leidenschaftlich für Bürgerrechte ein. Die besondere Note Prantls ist seine bildhafte Sprache: Er schreibt Gleichnisse über Menschen und er deutet zugleich seine Gleichnisse, um dem anderen auf die Spur zu kommen.

In der Küche des BVerfG-Präsidenten

Wen der Sozialdemokrat Peer Steinbrück wohl als sein Lieblingstier benennt? Es ist das Nashorn. Obwohl dieses gewaltige Tier kein Jäger ist und allein von Grünzeug lebe, fürchte sich selbst der Elefant vor ihm. Und da kommt auch schon die Übertragung: Das ruppige Wesen gehe kraftvoll und unbeugsam seinen Weg und gebärde sich in der Politik eher als "Grünenfresser". So ist das mit der Prantl'schen Wertschätzung. Er gewinnt jedem etwas Liebevolles ab, selbst Franz Josef Strauß, der "wie kein anderer ein so breites Kreuz hatte" und dabei "so dünnhäutig und so hinterfotzig" war.

Dass diese Lust an den Bildern Prantl schon einmal ordentlich in die Bredouille brachte, verschweigt er nicht. Der vielfach prämierte Journalist und Rechtsgelehrte hatte nämlich 2012 ein Porträt des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle so gründlich recherchiert, dass man ihn schon in dessen Küche glaubte: Der eine Gast putze die Pilze, der andere die Bohnen, der dritte wasche den Salat. Der Gastgeber habe alles sorgfältig vorbereitet, gekocht werde aber gemeinsam - heißt es in Prantls Beschreibung: "Jeder hat seinen Part, jeder hat was zu schnippeln, zu sieden und zu kochen, jeder etwas zu reden. Voßkuhle selbst rührt aber das Dressing an. Man ahnt, wie er als oberster Richter agiert." Bei soviel Intimkenntnis witterte man schon Interessenskollision, und sowohl die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichtes wie auch die Süddeutsche sahen sich genötigt, sich von dieser vermeintlichen Nähe peinlich berührt zu distanzieren.

"Was ein Einzelner vermag" wirft einen liebevollen Blick auf einzelne Akteure, wenn auch Prantl mitunter giftig und kritisch werden kann. Doch immer arbeitet er sich hindurch, bis er auch den Hartgesottenen Anerkennung und Bedeutung zukommen lässt, indem er auf die Beweggründe hinter dem Handeln und auf die Lebensgeschichte hinter der Person blickt. Diese Leidenschaft für den Menschen als Ganzes, für Borsten und Schönheit, Wunden und Charme hat etwas Empathisches, Echtes, Erdiges. Diese Leidenschaft stiftet zugleich an zu einem anderen Blick auf Mit- und Gegenspieler, weil sie eben nicht in Gut und Böse aufgeteilt werden.

Von diesem Perspektivenwechsel lässt sich viel lernen. In einer Gesellschaft, die auseinanderdriftet, mag man sich ja leicht innerhalb der eigenen Peergroup auf die Schenkel klopfen, wenn der Gegner blamiert wird oder schlecht dasteht. Mag dies eine klare Beheimatung und Begrenzung für den Einzelnen schaffen, Verbindung und Versöhnung des Ganzen entsteht so nicht.

Prantls Buch entfaltet seine Wirkung auch für die österreichische Gesellschaft: indem die Gründe hinter den Gründen erforscht werden, bis in jedem der liebevolle und unverwechselbare Kern zu finden ist. Am Ende wird man ganz sicherlich auf ein gemeinsames Anliegen stoßen, wozu genau dieser Mitbürger oder jene Mitbürgerin den unverzichtbaren Beitrag geleistet hat und wofür es sich gemeinsam zu kämpfen lohnt. Ein nachdenkenswertes Plädoyer für das Zusammenhalten der Gesellschaft!

Was ein Einzelner vermag

Politische Zeitgeschichten

Von Heribert Prantl

Süddeutsche Zeitung Edition, München 2016, 416 Seiten, € 24,90

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