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Die echten Rassezwerge

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In der gestaltenreichen Mannigfaltigkeit der menschlichen Rasseformen nehmen die Pygmäenvölker eine auffallende Sonderstellung ein. Der Nachweis braucht nicht zu befremden, daß sie durch lange Jahrhunderte für ihre nahen und fernen Nachbarn einen Gegenstand des bestaunenden Verwunderns abgeben.

Das älteste bis heute erhalten gebliebene Schriftstück, in welchem vorwiegend und unzweifelhaft deutlich von echten Rassezwergen im östlichen Abschnitt des afrikanischen Tropenwaldes gesprochen wird, ist ein von Pharao Phiops II. um das Jahr 2360 v. Chr. unterfertigter Befehl an seinen Heerführer Herchuf. Die Alt-Ägypter hatten den Wohnbereich der Pygmäen in das „Gebiet der Nilquellen“ verlegt; ihre Vermutung ist später durch geographische und anthropologische Erkundungen in Afrika bestätigt worden.

Uberaus reizvolle Einzelheiten vermag die lange Jahrhunderte umspannende Geschichte der Pygmäenforschung aufzuweisen, und merkwürdig berührt im besonderen das andauernde Bezweifeln der lebendigen Wirklichkeit ganzer Volksstämme mit zwerghafter Körpergestaltung. Nicht minder lebhaft, als es unsere wissenschaftlich gerichtete Gegenwart tut, haben die Gelehrten des Mittelalters oftmals die Tatsächlichkeit der Pygmäen erörtert; das gewaltigste Genie seiner Zeit, der hl. Albertus Magnus, letzter „Doctor universalis“, sah sich zu der Erklärung gedrängt, es stellten jene außereuropäischen Waldwesen bloß richtige Menschenaffen dar (vgl. M. Gusinde: Die Kongo-Pygmäen in Geschichte und Gegenwart. Abhandlungen der K. L. D. Akademie der Naturforscher, 1942). Erst zu Beginn der siebziger Jahre hat der deutsche Botaniker Georg Schweinfurth allen Zweiflern, daß der zentralafrikanische Urwald wirkliche, echte Rassezwerge beherbergt, den Boden weggezogen; und seitdem haben fortschreitend ernste Forschungsarbeiten jene seltsamen Menschen in unser deutliches Erkennen gerückt.

Bis in diese Jahre herein hat eine ausreichend vollständige und zuverlässige Beschreibung der Körperform echter Pygmäenstämme in Afrika gefehlt. Wohl sind gute Einzelschilderungen von ihnen und von außerafrikanischen Völkern minderer n d e S. V. D., Washington, D. C.

Körperhöhe vorgelegt worden; sie alle waren indes nicht aufschlußreich genug, um unsere neuzeitliche' Erbbiologie zu verpflichten, gewisse Zwergvölker endgültig als selbständige, rassebedingte und normale Gebilde anzuerkennen. Sie werden allerdings, nach wie vor, von einigen Biologen und Anatomen als pathologische Erscheinungen gedeutet. Ernsthaft muß indes jeder gute Kenner der Pygmäenvölker gegen den Versuch auftreten, daß sie als leicht verkrüppelte Gestalten veranschlagt werden; im menschenfeindlichen Urwald mit den Pygmäen des östlichen Belgisch-Kongo und in Ruanda durch elf Monate engstens zusammenlebend, habe auch ich sie als durchaus lebensfähig und leistungstüchtig, als gesund und mit vielen Kindern gesegnet einzuschätzen gelernt. Biologisch undenkbar, hätten die pygmäischen Volksgemeinschaften, durchwegs in reichlich ungünstiger Umwelt als niedere Nomaden hausend, sich durch Jahrtausende im Kampfe ums Dasein sieghaft erprobt und behauptet, wären sie allein aus mißgebildeten oder pathologisch verzerrten Einzelwesen zusammengesetzt.

Haben mithin die echten Rassezwerge, entwicklungsdynamisch gesehen, nichts zu tun mit abnormalen Zwergwuchserscheinungen, so stehen sie auch, rasse-genetisch gewertet, von den eigentlichen Negern weit ab — was in dieser kurzen Abhandlung nicht eigens begründet werden kann. Die manchenorts beliebte, jedoch irreführende Wortbildung „Negrilles beziehungsweise Negritos“ zur Bezeichnung von Pygmäen bleibt dafür verantwortlich, daß fehlerhafterweise letztere als verkleinerte Neger häufig angesprochen werden.

Im afrikanischen Tropenbereich stellen sich, nach meiner Beurteilung, drei geographisch verschieden gelagerte Pygmäengruppen vor, denen auch lokale Eigenheiten nicht fehlen. Am meisten auffällig wirken sie alle durch ihre niedrige Körperhöhe. Als Durchschnittsziffer dafür habe ich 143 Zentimeter bei Männern und 137 Zentimeter bei Frauen der Bambuti im östlichen Kongobezirk berechnet; als kleinste Frau, bloß 120 Zentimeter hoch, ist mir eine junge Mutter von zwei Kindern begegnet. Mithin weisen diese östlichen Pygmäen die geringste Körperhöhe innerhalb der vorgeschichtlichen und jetztzeitlichen Menschheit überhaupt auf. Ernstlich verfehlt wäre es jedoch, zu glauben, es liege allein in diesem Merkmal ihre rassische Eigenart verankert und ihre weit abgerückte Sonderstellung begründet. Nachdrücklich sei wiederum betont, daß ihr zusammengefaßtes Äußeres und alle aufeinander abgestimmten Merkmale als Formenganzheit den wirklichen und echten Pygmäentypus ausmachen. Sozusagen einem Mißbrauch käme der Versuch gleich, die Bezeichnung „Pygmäen“ einer beliebigen Volksgruppe allein wegen der niedrigen Körperhöhe ihrer Mitglieder zuzuerkennen. Zum vollwertigen Bilde echter Rassepygmäen muß sich eben eine gewisse Anzahl, sozusagen ein ganzer Komplex bedeutsamer, funktionell aufeinander abgestimmter Merkmale vereinigen.

Hieher gehören unter anderem die arteigenen Proportionsverhältnisse. Mit der niedrigen Körperhöhe erscheint ein übermäßig dicker Kopf gekoppelt und für den relativ langen, rechteckigen Rumpf muten die an sich zarten Arme als zu lang und die meisten zierlichen Beine als zu kurz an. Der. niedrigen Gesamtgestalt und dem sehr leichten Bau des Knochengefüges entspricht das sehr geringe Körpergewicht! im Durchschnitt beträgt es für Männer 39,8 Kilogramm und für Frauen 35,5 Kilogramm. Nahezu verwirrend beeindruckt den europäischen Forscher die helle Färbung der Körperhaut der Bam-buti und bei manchen Twa-Pygmäen in Ruanda; die westafrikanischen Pygmäengruppen zeigen sich in dunkelbrauner beziehungsweise bläulichgrauer Färbung. Zu einzigartiger Sonderprägung haben sich nahezu alle Teile des Gesichtes ausgestaltet. Die gerade aufsteigende Stirn beult ihren gesamten Mittelbereich stark konvex vor und über ihren unteren Rand ziehen dicke, unregelmäßige Hautfalten hinweg. Ungewöhnlich weit öffnen sich die Lider, weswegen jeder Augapfel herausquellend vortritt. Als ein Gebilde von einmaliger Modelung sitzt im viel zu kurzen Mittelgesicht die unförmliche, durchwegs beträchtlich in die Breite gezogene Nase, vielleicht als Knopf- und als Trichternase zu umschreiben. Mit einer mäßigen Prognathie des Untergesichts koppelt sich das erheblich starke Vorwölben der Harthautoberlippe,- sich angleichend an die hellfarbige Körperhaut zeichnet sich bei den Bambuti in die durchwegs mitteldicken Schleimhautlippen ein frisches .Rosa ein. Audi eine ganz ungewöhnliche Blutgruppenformel ließ sich bei ihnen bestimmen. Manche Eigenheiten haben sich zu einem solch hohen Grade der Spezialisierung gesteigert, wie er sich in keiner anderen Menschenrasse wiederholt und noch weniger übertroffen wird. Deren seltsam gestaltliche Ganzheit verleiht den afrikanischen Pygmäengruppen ihr arteigenes Gepräge. Alle Wesensmerkmale sind erbfest im Gen-Gefüge verankert, und ihre artbestimmende Gestaltung hat sich seit Jahrtausenden nicht nennenswert abgewandelt; sie begründen die erbbiologische Selbständigkeit der afrikanischen Pygmäengrüppen.

Die Frage nach Herkunft .und Werden der seltsam gemodelten Körperform der Pygmäen ist in allen Jahrtausenden, in denen man sie kennt, gestellt worden. Was diesbezüglich seit Beginn unseres Jahrhunderts in ernstem Bemühen ausgeklügelt worden ist, hält nicht mehr stand vor den Erkenntnissen, die über Rassenbildung und allen mit ihr zusammenhängenden Erscheinungen eine neuzeitliche, hochentwickelte Erbbiologie zutage gefördert hat. Wir wissen heute, daß auch der Mensch, biologisch gesehen, sich in einem Zustand befindet, den wir, seiner Wirkung nach, bei unseren Haustieren antreffen, nämlich in dem der Do-Domestikation. Analogieschlüsse auf den Menschen von Beobachtungen an Haustieren her sind demnach zulässig und oft sogar einziges Hilfsmittel; weil es uns leider verwehrt irt, für viele Vorgänge im menschlichen Erbgeschehen das Experiment zu befragen.

Beobachtungen an Haustieren aus ihrer Frühzeit geben zu erkennen, daß diese sich, als sogenannte Isolate, schon nach kurzer Geschlechtserfolge zu Zwergformen umgewandelt haben. Unter „Iso-lat“ verstehen wir hier eine Guppe von zehn bis zwanzig Pärchen der gleichen Art, die zur Fortpflanzung allein auf sich angewiesen geblieben und unvermittelt in eine, fremdartige Umwelt versetzt wor-. den sind. Auf dieser biodynamischen Erscheinung aufbauend, möchte ich folgenden Werdegang unserer Pygmäengruppen annehmen: In weit zurückliegender Zeit, als eine anfängliche Schicht des negriden Rassehaüptstammes noch nicht so weitgehend spezialisiert dastand, wie ihn heutigentags die vielen Rassen und Varianten mit eigenen Körpermerkmalen bilden, haben sich einzelne Isolate losgelöst; ein jedes von ihnen blieb in der Fortpflanzung auf sich allein angewiesen und, durch Umwelteinflüsse gefördert, haben echte Mutationen eine verringerte Körperhöhe neben anderen Änderungen ausgelöst. Nach Eindringen dieser Isolate in den Urwald erfolgten noch andere mutative Abwandlungen in der körperlichen Formenganzheit, und zwar als Anpassungserscheinungen — damals waren die Gene noch reichlich labil; eine scharfe natürliche Auslese schuf rasch den einheitlichen Typus. Jede der drei oder vier oder fünf Pygmäengruppen im tropischen Afrika, die ich als selbständige Bildungen bewerte, hat in der bezeichneten Richtung seine eigene Entwicklung zurückgelegt; letztere allein begründet die bestehenden, zuweilen ansehnlichen Unterschiede. Nicht aber sind diese, wie leichtfertig behauptet wurde, das Ergebnis einer Blutmischung mit Negern. Die dunkelfarbigen westäquatorialen Pygmäen (Baßwa, Babinga, Bagiella, Langa-Leute und andere mehr) sind ebenso echte Pygmäen wie die hellhäutigen Bambuti des Ostens; daß jemand letztere zu „Standardpygmäen“ erklärt hat, geht die Erbgenetik nichts an. Sollte meine Deutung, bei welcher ich als erster biodynamische Erkenntnisse zur Erklärung der menschlichen Pygmäenformen angewandt habe, sich als richtig erweisen, fällt die frühere Behauptung: es haben sich aus einer Urpygmäen-schichte die heutigen Einzelgruppen abgesondert. Schon seit Jahren bin ich der Uberzeugung, daß weder die pygmäenartigen Andamanesen, die Semang und Senoi auf Malakka, noch viel weniger die Aeta auf den Philippinen eng genetisch mit den afrikanischen Pygmäen zusammenhängen. Von letzteren stehen meines Erachtens auch die Buschmänner, Hottentotten und Bergdama in Südafrika als biodynamische Eigenbildungen weit ab. Die sogenannten Pygmäen auf einigen Südseeinseln (Neu-Guinea, Neue Hebri-den) erscheinen mir eher als eigentliche biologische Variationen aus den an den Küsten lebenden Eingeborenen.

Die ganzheitliche Körperbildung der afrikanischen Pygmäen habe ich mit einer dermaßen eingehenden Ausführlichkeit beobachtet und geschildert, wie solche kein früherer Forscher erreicht hat (vgl. M. Gusinde: „Urwaldmenschen am Ituri“, Verlag Julius Springer, Wien 1948; vgl. M. Gusinde: „Die Twa-Pygmäen in Ruanda“, Verlag St. Gabriel, Mödling 1949). Deren körperliche Ausgestaltung stellt eine staunenswert vorteilhafte Anpassung an ihre Umwelt dar. So merkwürdig seltsam wie diese, sind auch die zwerghaften Waldmenschen selbst. Auch wage ich zu behaupten: Ohne Urwald gäbe es keine Pygmäen.

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