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Die Verwendung von Elektrizität in der Land Wirtschaft

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In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg war es durch gesteigerte Pflege der Nutzpflanzen, sorgfältige Auswahl und Behandlung des Saatgutes, verbesserte Düngung auf Grund wissenschaft- Tcher Untersuchungen, vervollkommneite Bearbeitung des Bodens, ständige Verbesserung der Betriebsführung und gesteigerte Intensität der landwirtschaftlichen Betriebe möglich, die erheblich angewachsene Bevölkerung der Monarchie mit den hauptsächlichsten Nährprodukten reichlich zu ernähren. Dieser glückliche Zustand erfuhr eine jähe Wandlung durch die Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Monarchie, wodurch ein einheitliches, wohlausgeglichenes Wirtschaftsgebiet in Teile zerfiel, denen ein inneres wirtschaftliches Gleichgewicht mangelte. Während in der Monarchie rund 97 Menschen auf den Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche kamen, srtdeg diese Zahl plötzlich auf 165 im heutigen Österreich, weshalb die Einfuhr von Auslandsprodukten notwendig wurde. Was dies bei der heutigen Geldwirtschaft bedeutet, ist wohl jedem einzelnen klar geworden.

So wurde es ein dringendes Gebot der Zeit, alle technischen Errungenschaften der Intensivierung des landwirtschaftlichen Betriebes nutzbar zu machen. In der Erfüllung dieser Aufgabe sind es, wenn man die Probleme der bäuerlichen Familienwirtschaft überblickt, heute drei Notwendigkeiten, die als Folgen der steigenden Leutenot als die dringendsten erscheinen: Die Erleichterung der bäuerlichen Arbeit, die Erzielung einer größeren Arbeitsleistung und die Erzielung eines größeren Arbeitsertrages. Diese Notwendigkeiten gaben der Entwicklung der landwirtschaftlichen Maschinen und Geräte mächtige Impulse, da sie in der Hauptsache dazu dienen können, den Ertrag trotz Schonung dei menschlichen Arbeitskraft zu steigern. Der einfache und robuste Elektromotor als bequemste Kraftquelle für den Antrieb landwirtschaftlicher Arbeitsmaschinen und Geräte steht hier an erster Stelle. Ohne Bedie nung bewältigen die Elektromotoren jeder Größe, von den kleinsten, die ein Junge leicht an jeden Ort tragen kann, bis zu den größten feststehenden oder fahrbar auf einem Wagen aufgebauten, die mechanische Arbeit jederzeit für die verschiedensten Zwecke.

Die wichtigste unter den landwirtschaftlichen Arbeiten, denen die elektrische Kraft dient, ist das Dreschen. Da hat die Elektrizität dem zwar durch das rhythmische Fallen der Dreschflegel recht anheimelnden, aber auch ziemlich verlustreichen Dreschen auf der Tenne und weiter der qualmenden und funkenspeienden Lokomobile längst den Garaus gemacht und in die Romantik des Gewesenen verbannt. In vielfacher Hinsicht hat sich die Tätigkeit des Landwirtes unter dem Einfluß der Elektrizität, des getreuesten und allzeit bereiten Knechtes, gewandelt. An Stelle der körperlichen Anstrengungen und Mühen trat der anspruchslose Elektromotor, der das Wasser überallhin und auf beliebige Höhen fördert, das Futter schneidet, Stroh und Heu mühelos und mit einer früher unvorstellbaren Geschwindigkeit transportiert, Rüben zerkleinert, Schrot- und Brechmühlen antreibt, das Getreide reinigt, sortiert und in den Speicher schafft, die in hygienischer Hinsicht unvergleichliche Melkanlage, die Milchzentrifuge und die Buttermaschine bedient, das Brennholz zerkleinert, den Dünger aus dem Stall und die Jauche in das Faß schafft oder auf den Feldern versprüht und schließlich im bergigen Gelände den Dünger ebenso spielend den Abhang emporzieht wie den Pflug, womit eine den Menschen und das Tier aufs äußerste beanspruchende qualvolle Anstrengung ihr Ende gefunden hat.

Ist demnach der elektrische Antrieb imstande, den Bauern von den schwersten Arbeiten zu entlasten und obendrein eine um vieles größere Arbeitsleistung zu erzielen, so ist es für die durch eine Fülle von Hantierungen von früh bis spät beanspruchte Bäuerin geagogik weniger historisierend aufgetreten und mehr in den Bahnen eines Fėne- lon, Milde, Bosco geschritten wäre.

Der Christ hat nicht auf das Diesseitswirken zu verzichten, er hat immer wieder Wirklichkeiten zu bewältigen — diese Überzeugung hat christliche Jugendbildung mit allen Mitteln zu befestigen und zu klären. Der nächste Weg dazu wird wohl dauernd das Beispiel des Erziehers selbst bleiben; wohl uns, wenn es an ihm nicht fehlt. Alles Ringen um gesicherte Formen der christlichen Jugendbildung ist aussichtslos, wenn es bei der heutigen freundlichen Wohlmeinung für den christlichen Erzieherstand i bleibt, nicht aber ein ganz ernstes und bahnbrechendes Bemühen um die Entflammung vieler Erziehe r- persjönlichkeiten einsetzt, die der Jugend wenigstens in großen Zügen als die Verwirklichung christlichen Lebens erscheinen. Die schmerzliche Erscheinung des konfessionslosen J u g e n d e r z i e h e r s ist eine Mahnung und ein Argument für das Ringen um eine gesicherte christliche Jugendbildung.

Eine verfehlte Haltung zu den Fragen des Fortschritts hat dem praktischen Christentum auf der sozialen Ebene zu einer schweren Niederlage gereicht, zum Verlust der Arbeitermassen. Für den Bildungsbereich entsteht heute eine ähnliche Gefahr durch die Abseitsstellung und die Isolierung der religiösen Bildung, der man wohl „Reservationen" einzuräumen bereit ijät, aber nicht die Durchdringung und Sicherung des gesamten Auseinandersetzungsprozesses mit dem Leben und der Zeit. Das kann übelwollen und Streben nach dem Gegentypus des gläubigen Menschen sein; es könnte aber auch berechtigtes Mißtrauen oder bewiesenes Unvermögen dahinterstehen, vor allem in den Augen der Jugend selbst.

So ist es das große Anliegen des religiösen Pädagogen, daß christliche Jugendbildung in der Gegenwart nicht neben der Zeit verläuft, nicht an ihr vorbeisieht und gegen sie ihr Ziel erreichen möchte, die christliche Lebensgestaltung. Wir besitzen in der Bewältigung dieses Anliegens ein gewaltiges Beispiel, nämlich die große Tatsache, daß die Kirche seit jeher beides tun muß: ihren überzeitlichen Charakter wahren und die Aufgaben der jeweiligen Zeit meistern. Das Kommen von weit her und das Streben nach weit hin kann die Kirche im einzelnen abhalten, ihre Aufgabe in der Gegenwart genügend aktiv zu ergreifen, aber es wäre ein Irrtum, wie mit Recht in unsere Tage gerufen wurde, anzunehmen, daß wir in einer Art „religiöser Eiszeit" leben, durch die sich die Kirche einfach durchretten muß, um in günstigeren Zeiten wieder zum Blühen zu kommen. Vielmehr wird diese günstigere Zukunft nach einem Wort des großen katholischen Menschenführers Kolping nur dann kommen, wenn w i r sie erziehen, das heißt wenn wir sie durch mutige Auseinandersetzung der Jugend mit der Welt auf dem Boden des christlichen Ethos herbeiführen.

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