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Erste Baustufe: Europa

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Am 9. Mai 1950 überraschte der französische Außenminister Schumann die Weltöffentlichkeit mit dem Vorschlag, die französische und deutsche Kohlen-und Stahlwirtschaft unter gemeinsame Verwaltung zu stellen, wodurch nicht nur eine Entspannung des deutsch-französischen Verhältnisses, sondern zugleich auch der Weg zu einer europäischen Wirtschaftsföderation gewiesen werden sollte. Der Gedanke zu diesem Pool baute im gewissen Sinne auf der Linie der wirtschaftlichen Bestimmungen auf, wie sie in der zweiten Etappe des Marshall-Planes der Wirtschaftspolitik der europäischen Teilnehmerstaaten ihr besonderes Gepräge gaben; freilich waren sie in ihrem Ergebnis über die durch die EZU (Europäische Zahlungsunion) gestützten Liberalisierungsmaßnahmen zugunsten der Verdichtung des inner-europäischen Handels vorerst nicht viel hinausgewachsen.

Es war von vornherein klar, daß von dem Gedanken einer Zusammenlegung wichtiger Wirtschaftsbereiche zweier autonomer Volkswirtschaften bis zur endlichen Verwirklichung viele traditionelle politische Gegensätze, nationale Engherzigkeit und sonstige psychologische Belastungen zwischen den beiden unmittelbar beteiligten Nationen, aber auch den weiteren zum Beitritt eingeladenen europäischen Partnern beseitigt werden müßten; es galt doch, nicht nur äußerst delikate wirtschaftliche und soziale Probleme zu lösen, sondern für die dem Abkommen beitretenden Regierungen auf einen Teil ihrer bisher ausgeübten Hoheitsrechte zugunsten einer gemeinsamen unabhängigen hohen Verwaltungsbehörde zu verzichten. Dazu kam noch die besondere Stellungnahme Großbritanniens zu dem Gesamtplan.

Als am Karfreitag dieses Jahres nach mehr als neun Monaten schwierigster technischer Verhandlungen der von Sachverständigen ausgearbeitete Entwurf des Vertrages einer europäischen Kohlen-und Stahlgemeinschaft den Delegationsleitern der sechs beteiligten Länder (Frankreich, Westdeutschland, Italien,Belgien, Holland und Luxemburg) zur Paraphierung in Paris vorlag — die allfällige Ratifizierung des Vertrages wird erst viel später durch die Parlamente nach einer erst einzuberufenden Konferenz der zuständigen Ressortminister erfolgen —, da konnte man sich trotz aller Genugtuung über die zurückgelegte erste und schwierigste Verhandlungsetappe der Einsicht nicht verschließen, daß der ursprünglich projektierte Rahmen dieser Wirtschaftsgemeinschaft infolge der seit der Koreakrise eingetretenen Verschiebungen im weltpolitischen Feld zum Teil überholt und nur in enger Anlehnung an die atlantische Gemeinschaft politisch und wirtschaftlich wirksam sein würde.

Was ist nun aus diesen neunmonatigen Verhandlungen der Sachverständigen hervorgegangen? Zunächst sind es zwei Schriftstücke, die die Delegationsführer paraphiert haben, nämlich: einmal der auf die Schaffung einer europäischen Kohlen- und Stahlgemeinschaft sich beziehende Vertragsentwurf, der 94 Artikel und fünf Beilagen umfaßt, zum andern der Entwurf eines Abkommens zur Regelung der Ubergangsperiode, der seinerseits wieder in 33 Paragraphen zerfällt.

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