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EVELYN WAUGH
einer der berühmtesten englischen modernen Schriftsteller, wurde im Jahre 1903 als Sohn eines bekannten Verlegers geboren, genoß später eine vorzügliche Erziehung in Oxford und dachte ursprünglich daran, Kunstmaler zu werden. Nachdem er kurze Zeit beim Daily Expreß“ gearbeitet hatte, machte er 1927 einen vergeblichen Versuch, Zimmermann zu werden. Im Jahre 1928 erschien sein erster Roman, .Decline and Fall“, der ihn sogleich in die erste Reihe der jungen englischen Dichter rückte. Im Jahre 1930 trat er zur katholischen Kirche über.
Diese äußeren Daten vermögen nur andeutungsweise den wirklichen Weg eines Mannes aufzuzeigen, dessen Entwicklung vor allem durch innere Vorgänge bestimmt worden ist und der immer wieder betont hat, daß der Ubertritt zur katholischen Kirche das eigentliche große Ereignis seines Lebens sei. Er schrieb einmal: „Ich wurde mit einer starken ererbten Neigung zur englischen Staatskirche geboren. An jedem Zweig meines Stammes sprießen anglikanische Geistliche. Mit zehn Jahren drückte ich zum Schrecken meiner Eltern, meine Absicht aus, anglikanischer Geistlicher zu werden. Diese religiöse Faszination war teilweise erblich, teilweise ästhetisch bedingt. Meine Leser außerhalb Englands sollten begreifen, daß die ästhetische Anziehungskraft der englischen Kirche einzigartig ist. Anderswo wird das erste Interesse für die katholische Kirche in der Phantasie des Konvertiten oft durch die Pracht ihres Gottesdienstes entzündet. In England ist es gerade umgekehrt. Die mittelalterlichen Kathedralen und Kirchen, die reichen Zeremonien, welche die Monarchie umgeben, die historischen Titel von Can-terbury und York, all dies ist der englischen Kirche eigen, während die Katholiken In modernen Gebäuden von oft beklagenswertem Stil zsuammenkommen und gewöhnliche einfache irische Missionäre als Priester haben.“ Daß er trotzdem schon mit 26 Jahren zur katholischen Kirche übertrat, führt er hauptsächlich auf zwei Ereignisse zurück. Zunächst war es die Begegnung mit einem führenden anglikanischen Theologen und nachmaligen Bischof, der während des 1. Weltkrieges als Klassenlehrer für Religion einsprang, als die jüngeren Lehrer einrücken mußten. „Dieser gelehrte und fromme Mann machte mich unversehens zum Atheisten. Er erklärte, daß keines der biblischen Bücher von seinem vermeintlichen Verfasser geschrieben worden sei. Nachdem er die ererbten Axiome meines Glaubens auf diese Weise umgestürzt hatte, fand ich mich völlig außerstande, ihm bei den höchsten logischen Gedankenflügen zu folgen, mit der er seinen eigenen Skeptizismus mit seiner Stellung als Geistlicher vereinte.“ Und das zweite Ereignis war die jahrelange Begegnung mit der englischen Oberschicht, die er in vielen seiner Romane satirisch geschildert hat. „Zehn Jahre in dieser Gesellschaftswelt genügten, um mir zu zeigen, daß das Leben dort oder auch sonstwo unverständlich sei ohne Gott.“
Diese persönlichen Bekenntnisse lassen unschwer erkennen, daß es Evelyn Waugh bei allen seinen Büchern und nicht zuletzt bei seinen satirischen Romanen nicht nur darum geht, Kritik zu üben, und das Gelächter oder gar die Schadenfreude des Lesers herauszufordern. Indem er das Leben der modernen Gesellschaft ad absurdum führt, möchte er dazu beitragen, das Heimweh nach der vergessenen christlichen Struktur wieder wachzurufen, welche diesem Leben trotz allem zugrunde liegt. Als einer der führenden amerikanischen Kritiker, Edmund Wilson, dem Autor zubilligte, daß er vielleicht das makelloseste Englisch der neueren angelsächsischen Literatur schreibe, ihm aber zugleich den Vorwurf machte, dem christlichen Glauben an die Vorsehung Ausdruck verliehen zu haben, da antwortete ihm Evelyn Waugh im „Life“: „Ich bin überzeugt, daß man auf die Einbeziehung von Gott und der Vorsehung in einen modernen Roman nur dann verzichten kann, wenn man seine Romangestalten des wirklichen Lebens berauben und sie zu bloßen Abstraktionen herabmindern will. Die modernen Schriftsteller versuchen zwar, die Seele und das Wesen des Menschen uneingeschränkt zur Darstellung zu bringen, und vergessen dabei das wichtigste zu erwähnen: daß der Mensch ein Geschöpf Gottes mit einem dadurch bestimmten Daseinsziel ist.“ Und er fügte bei, ' daß alle seine künftigen Bücher vor allem das eine große Thema gestalten werden: .Der Mensch in seiner Beziehung zu Gott.“
Evelyn Waugh, Ferien in Europa“. Ein Buch der Arche beim Verlag Stiasny, Graz
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