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Friedrich Heer: Ein Rechtsstreit um Zitate
Die Historikerin Evelyn Adunka beendete 1990 ihr Studium mit einer Doktorarbeit über Friedrich Heer, die für gut befunden wurde. Und unter dem Titel „Friedrich Heer - eine intellektuelle Biographie” im Tyrolia Verlag längst als Ruch erscheinen sollte.
Das mühsam finanzierte Projekt erfuhr jedoch erhebliche Verzögerung durch eine von Eva Heer, der Witwe Friedrich Heers, beantragte und vom Handelsgericht Wien bewilligte Einstweilige Verfügung, die
das Erscheinen untersagte.
Der Oberste Gerichtshof hob sie nun in dritter und letzter Instanz auf, das Buch wird erscheinen. Ob die Familie Heer das Prozeßrisiko weiter tragen und den Prozeß nach Erscheinen fortführen will, ist noch nicht entschieden.
Zwei Interessen knallen unversöhnlich aufeinander. Auf der einen Seite das Interesse nicht nur einer Autorin, sondern vieler Dissertanten geisteswissenschaftlicher Fächer, Werk und Leben einer Persönlichkeit ohne juristische Bedenken, welche die Aufnahme von Zitaten einschränken oder gar verhindern könnten, auf den Grund zu gehen. Notabene einer Persönlichkeit von solcher geistesgeschichtlicher Bedeutung, wie sie der Historiker, Geschichtsphilosoph und bekanntlich auch viele Jahre lang als Redakteur und Autor für die FURCHE tätige Friedrich Heer für Österreich hatte.
Im konkreten Fall geht es nicht zuletzt darum, ob es ein Maß dafür gibt, in welchem Verhältnis die
Menge des Originaltextes der Dissertation oder des Buches zu Menge und Umfang der aufgenommenen Zitate stehen darf. Die Dissertation von Evelyn Adunka enthält erhebliche Textmengen aus der Feder von Friedrich Heer. Dies deutet aber keineswegs auf Bequemlichkeit der Autorin hin, sondern ist Ergebnis einer jahrelangen Suche nach un- oder kaum bekannten Texten. Das Mosaik der Zitate dient dem Ziel, die Entwicklungen und Widersprüche einer faszinierenden Persönlichkeit erkennbar zu machen. Wer die Dissertation liest, erfährt zweifellos Neues, und Wesentliches, über Friedrich Heer.
Das Interesse von Dissertanten, Doktorarbeiten in Buchform vorzustellen, liegt auf der Hand. Auch wenn dies Evelyn Adunka, wie vielen anderen, kein Geld einbringt.
Auf der anderen Seite steht der Wunsch der Rechtsnachfolger, die Grundsätze, deren Beachtung Heer für den Umgang mit seinen Arbeiten einforderte, auch nach seinem Tod durchzusetzen. Friedrich Heers
Tochter Johanna Heer zur FURCHE: „Dieses Ausmaß von Textauszügen wäre von meinem Vater sicherlich als Verstümmelung seiner Arbeit gesehen worden. Sein Standpunkt war: Entweder lest meine Bücher - oder schreibt ein eigenes Buch über mich, in dem keine Texte von mir verwendet werden.”
ES darf zitiert werden
Heer, so dessen Tochter, habe sich bei Wissenschaftlern ebenso wie bei Künstlern stets für das Originäre eingesetzt: „Das Urteil des Obersten Gerichtshofes stellt nach meiner Ansicht eine ethische Verletzung des Urheberrechtes dar. Im angloameri-kanischen Baum wäre so etwas nicht möglich, dort ist das Urheberrecht wesentlich restriktiver.”
Während das Erstgericht Evelyn Adunka die Veröffentlichung von 48 Zitaten aus veröffentlichten Werkes Heers untersagte, anerkennt das Höchstgericht den Status der Dissertation als „eigenschöpferisches,
selbständiges neues wissenschaftliches Sprachwerk”, gelangt zu dem Schluß, daß das urheberrechtlich geregelte Zitierrecht nicht verletzt wurde und unterbindet nur zwei Stellen aus einem unveröffentlichten Artikel und einem Brief.
Nicht nur Dissertanten, sondern alle Biographen von Persönlichkeiten, die seit weniger als 70 Jahren tot und deren Werke daher noch urheberrechtlich geschützt sind, werden aufatmen. Obwohl das Thema mit der Aufhebung der Einstweiligen Verfügung nicht ausjudiziert ist, scheinen die Tage des über den Autoren schwebenden Damoklesschwertes gezählt. Immerhin hat der OGH nicht nur festgestellt, daß eine wissenschaftliche Biographie ihren Zweck besser erfüllt, wenn „der Beschriebene sich teilweise selbst darstellt”. Es sei auch nicht nötig, nachzuweisen, daß jedes Zitat in voller Länge „zwingend notwendig” ist. Es genüge, wenn es für die Zwecke der Darstellung „hilfreich” ist.
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