6649622-1958_45_17.jpg
Digital In Arbeit

Bessere Welt

Werbung
Werbung
Werbung

ABRAHAM LINCOLN - DAS LEBEN EINES UNSTERBLICHEN. Von Carl Sandburg. Paul-Zsolnay-Verlag, Hamburg-Wien. 874 Seiten.

WIE AMERIKA REGIERT WIRD. Von Ernest S. G r i f f i t h. Rheinische Verlags-Anstalt, Wiesbaden. 140 Seiten. Preis 8.80 DM.

ZUVIEL HONIG. Von Russell Lyn es. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart. 180 Seiten. Preis 9.80 DM.

Die vorliegende Biographie Abraham Lincolns ist die Frucht einer mehr als 40jährigen Arbeit. Angeregt wurde sie ursprünglich wohl durch die Eindrücke, die Carl Sandburg, aufgewachsen in der Gegend des Staates Illinois, aus der sein großer Landsinann stammte, schon in früher Jugend empfing; in Begegnung mit Männern, die Lincoln noch persönlich gekannt hatten, und dann als 20jähriger Soldat im Feldzug von 1898 unter den Befehlen des Generals Miles, eines ehemaligen Brigadiers in der Unionsarmee während des Sezessionskrieges. Später folgten archivarische Studien von seltener Ausdauer und Gründlichkeit, in Verbindung mit Reisen kreuz und quer durch die Vereinigten Staaten, um Kontakt mit Personen aufzunehmen, unter deren Verwandten der älteren Generation vertraute Freunde Lincolns gewesen waren. Das bekannte Standardwerk Sandburgs über den Sklavenbefreier und Retter der amerikanischen Union umfaßt sechs Bände; der erste, zweibändige Abschnitt, „Die Präriejahre“, erschien schon vor etwa 30 Jahren, der vielbändige zweite, „Die Kriegsjahre“, 15 Jahre später. Der hier gebotene Band ist nicht lediglich ein Kompendium jener sechs, sondern eine Neubearbeitung, in der die reichen Ergebnisse der Lincoln-Forschung der letzten Dezennien voll berücksichtigt sind. Sein besonderer Wert liegt in der überaus detaillierten und plastischen Zeichnung des zeitgenössischen amerikanischen Milieus, des Hintergrunds, gegen den sich die überragende Gestalt Abraham Lincolns als Mensch und als Staatsmann mit faszinierender Lebendigkeit abhebt.

Wie das Regierungssystem der Vereinigten Staaten organisiert ist, wie es funktioniert und welche Entwicklungstendenzen sich dabei bemerkbar machen, sind Fragen, auf die eine erschöpfende Antwort selbst in Amerika nicht leicht zu bekommen ist; geschweige denn in Europa, wo man vielfach das einzig Wesentliche jenes Systems in dem für unbedingte Anhänger der parlamentarischen Demokratie immer etwas erstaunlichen Umstand zu erkennen glaubt, daß der Regierungschef mit seinem Amt jenes des Staatsoberhauptes verbindet und durch kein Votum der gesetzgebenden Körperschaften zum Rücktritt gezwungen werden kann. Diese gar zu oberflächliche Kenntnis einer für jeden politisch interessierten Europäer ungemein wichtigen Materie zu vertiefen, war der Zweck der Vorlesungen, die Prof. Ernest S. Griffith, Leiter der Informations- und Dokumentationszentrale des amerikanischen Kongresses, vor Studenten der Universität Oxford über das amerikanische Staatswesen gehalten hat. Dem wissenschaftlich gründlichen und dabei anregend geschriebenen Buch, in welchem diese Vorlesungen zusammengefaßt sind, hat der deutsche Universitätsprofessor Hermann L. Brill unter dem Titel „In Deutschland ist fast alles anders“ ein Nachwort angefügt, das die Aehnlichkeiten und die Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Staatswesen skizziert.

Ist Amerika die beste aller Welten? So lautet der Untertitel des Buches, in welchem Russell L y n e s, durch das von ihm redigierte „Harper's Magazine“ und andere vielgelesene Veröffentlichungen bereits als scharfsichtiger und amüsanter Sozialkritiker bekannt, die heutige gesellschaftliche Struktur der Vereinigten Staaten und die Erscheinungsformen eines ans Märchenhafte grenzenden Wohlstandes einer ebenso gescheiten wie humorvollen Analyse unterzieht. Seiner Ansicht nach ist die klassenlose Gesellschaft, die der Marxismus erträumt und propagiert, aber nie verwirklichen kann, im Zeichen des modernen amerikanischen Kapitalismus zur Tatsache geworden: an Stelle der früheren horizontalen Gliederung in Ober-, Mittel- und Unterschichten, für die Geld der Wertmesser war, sieht er ein Nebeneinander fast eigenständiger sozialer Pyramiden, für deren Aufbau Leistung das Entscheidende ist. So verschieden in ihrem Wesen und von einander entfernt diese Pyramiden auch sind, wie etwa die „Big-Business“ -Pyramide, die Gewerkschaftspyramide, die intellektuelle Pyramide, die Unterhaltungspyramide, die politische Pyramide, die Sportpyramide, nicht zu vergessen die Gangsterpyramide, keine nimmt eine gesellschaftlich privilegierte Stellung ein; jede hat ihre eigenen „Statussymbole“, und zwischen allen ist eine Verbindung gegeben durch ein höchst eigenwilliges, wie Lynes meint, „ureuropäisches“ Element, er nennt sie die „Oberen Bohemiens“. Allen Pyramiden gleich ist auch die Einstufung von Luxus in die Sphäre unbedingter Lebensnotwendigkeiten und die egalitäre Umwertung mancher traditioneller Begriffe, wie beispielsweise des Begriffs „Lady“.

Ist Amerika in seiner neuen gesellschaftlichen Struktur, die auch eine neue Dienerklasse in Gestalt des haushalttrainierten Ehegatten hervorgebracht hat, und im Genuß der Süße eines früher ungeahnten Wohlstands wirklich die beste aller Welten? Lynes glaubt es nicht. Unzweideutig ist seine Warnung vor den Gefahren einer allzu üppigen Prosperität. Sein wohlfundierter Hinweis auf diese Gefahren sollte auch diesseits des Atlantiks Anlaß zu einiger Nachdenklichkeit geben.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung