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Das Ende der W eimarer Republik

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BINDENBURG UND DER STAAT. Aus den Papieren de Generalfeldmarechalls und Reichspräsidenten von 1878 bis 1934. Von Walther Hubatsch. Mustersehmidt-Verlag, Göttingen-Berlin—Frankfurt-Zürich, 1968. 397 Seiten.

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BINDENBURG UND DER STAAT. Aus den Papieren de Generalfeldmarechalls und Reichspräsidenten von 1878 bis 1934. Von Walther Hubatsch. Mustersehmidt-Verlag, Göttingen-Berlin—Frankfurt-Zürich, 1968. 397 Seiten.

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Die Gestalt des Generalfeldmarschalls Hindenburg hat seit 1918 die Historiker immer wieder zu Untersuchungen angeregt. Polemische Werke wie etwa Oldens Darstellung oder die sehr kritische Stellungnahme zu Hindenburg aus der liberalen Feder von Erich Eyck wurden durch sachlich-kritische Ausgaben von Memoiren und Aufzeichnungen ergänzt. So hat die Göttinger Akademie der Wissenschaften in den Briefen und Niederschriften des Generalmajors Thear eine wesentliche Quelle der historischen Forschung erschlossen, ebenso die Historische Kommission der bayrischen Akademie der Wissenschaften durch die Herausgabe der Memoiren von General Groener. Damit ist die Hindenburg-Forschung noch lange nicht abgeschlossen. So fehlt noch immer eine Stellungnahme der österreichischen Historiker zu Hindenburgs Person aus den Quellen des österreichischen Kriegsarchivs. Die Rolle dieses zum Heros emporgesteigerten Generals im ersten Weltkrieg wurde allerdings durch die verschiedenen Nachkriegspolemiken, die zum Teil aus seinem engsten Mitarbeiterkreis äußerst kritische Stimmen vernehmen ließen, abgewertet und oft geradezu diffamiert, wenn man nur an die langjährige Pressefehde denkt, die Ludendorff bewußt im Streit um den Sieg von Tannenberg schürte. Wilhelm II. hat sich im Exil trotz aller Ergebenheitstelegramme und Briefe Hindenburgs unversöhnlich gezeigt und dem Generalfeldmarschall die Hauptschuld an der Entschlußfassung der unheroischen Hollandreise aufgelastet. Daß sich dabei Ressentiments des eitlen und seiner Rolle als Feldherrn beraubten Monarchen Durchbruch verschafften, ist ebenso klar, wie umgekehrt Hindenburgs politische Rolle im Hauptquartier der Obersten Heeresleitung heute mehr als die eines Statisten denn eines wirklich Handelnden historisch beurteilt werden muß.

Als Politiker wurde der Marschall durch die Zufälligkeiten des Zusammenbruches 1918 zum Heros der Kontinuität und der Ordnung bei der Zurückführung des deutschen Feldheeres und durch seine Bereitwilligkeit, mit der sozialdemokratischen Reichsführung, unter Ebert, zusammenzuarbeiten. Dieser Entschluß ging auf die mutigen Einflüsse von Groener und Schleicher zurück, welchen Hindenburg keinesfalls im späteren Verlauf der Geschichte der Weimarer Republik den notwendigen Dank abzustatten wußte.

Als nach einer vorübergehenden Zeitspanne im Zuge der Konsolidierung der Weimarer Republik von den verschiedensten Kräften Hindenburg zweimal das Amt des Reichspräsidenten zugesprochen erhielt, hatte sich das innenpolitische Kräfteverhältnis wesentlich geändert. Der 1925 zum Reichspräsidenten gewählte Generalfeldmarschall wollte in seiner Osterbotschaft von 11. April dieses Jahres der Repräsentant aller Deutschen sein und „die Heiligkeit des Reiches hochhalten“. (Seite 187.) Wer vermutet hatte, daß Hindenburg in vornehmer Zurückhaltung dem Staat allein seine Dienste weihen würde, wird gerade durch Hubatsch eines Besseren belehrt. Systematisch zeigt gerade der umfangreiche Dokumentenanhang des Werkes, wie der Reichspräsident schrittweise einen merkbaren Kurs nach rechts einzuleiten bestrebt war und dabei selbst jene Kräfte, die ihn einstmals trugen, zu beseitigen bereit erschien. Sein Konflikt mit Seeckt war der erste Schlag gegen den seine Würde betonenden, so erfolgreichen Generaloberst, eine späte Frucht mancher kritischer Stellungnahmen

Seeckts gegen die OHL der Kriegszeit.

Ab 1932 ist der Konflikt mit Brüning an der Tagesordnung, da sich der Zentrumskanzler „nur wenige Schritte vor dem Ziel“ weigerte, einen Rechtskurs einzuschlagen, wie ihn der Reichspräsident und seine immer mehr in Erscheinung tretende Umgebung ostelbischer Junker und anonymer Berater — darunter der in der Verfassung nicht vorgesehene Sohn und Adjutant Oberst von Hindenburg — inaugurierten. Zwischen dem Drängen der reaktionären Kräfte nach einer Öffnung nach rechts, unter Einbeziehung der Massen des Nationalsozialismus, entschied sich Hindenburg, nachdem ihm Brüning in einet Koalition des Zentrums und der Mittelparteien einschließlich der Sozialdemokraten gegen Hitler die Würde des Reichspräsidenten noch einmal verschafft hatte, in einem beispiellosen Treuebruch für Franz von Papen. Reichskanzler Brüning, der einstmals hochdekorierte Front- offlzier einer MG-Kompanie, vermochte die Ereignisse, die zu seinem Sturz führten, zunächst nicht zu

übersehen^ obwohl er in der Fragen der Reparationen und dei Nachrüstung Deutschlands auf dem nationalen Sektor erfolgreiche Ergebnisse zu verzeichnen hatte. Die Regierungen Papen und Schleicher führten konsequent zur „Machtübernahme" Hitlers, dessen Forderungen nach einem Präsidialkabinett angesichts der dauernden Anwendung solcher Ausnahmebestimmungen seif 1932 nicht unberechtigt waren, wobei zu bedenken ist, daß Franz von Papen und auch Schleicher zu willfährigen Steigbügelhaltern der ursprünglichen Intentionen Hindenburgs und seines Kurses nach rechts geworden waren. Wieweit Hindenburg selbst den Gang der Ereignisse seit 1932 noch zu überblicken vermochte, wird aus dem Dokumententeil nicht ganz klar, wenn man bedenkt, daß die zunehmende Vergreisung des Präsidenten mehr und mehr den Einflüssen seiner Umgebung Tür und Tor öffnete. Der Verfasser läßt daher auch die Frage nach der Fassung des ominösen Festamentes, welches Hitler den Weg zur Vereinigung des Amtes des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten eröffnete, offen.

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