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Der Präsident

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Wie soll der Präsident der Vollversammlung der Vereinten Nationen, welche die Inflation der Staaten durch den Gehalt der Persönlichkeiten aufwerten sollte, beschaffen sein? Er muß sich allgemeiner Achtung und Beliebtheit erfreuen, einem nicht exponierten Staate angehören, ein gründlicher Kenner der Satzung und der Geschichte der UNO sein. Unter den Delegierten dieser Vollversammlung gab es einen, dem diese Bedingungen auf den Leib geschrieben waren: den Österreicher Matsch. Er ist als der beste Kenner der Satzung und der Präzedenzien bekannt, dessen Gedächtnis als Auskunftskartei dient und von vielen Delegierten als solche benützt wird. Sein bevorstehendes Ausscheiden aus der Diplomatie der UNO wäre ein Grund mehr für einen solchen ehrenden Abgang gewesen. Die Mehrheit der Staaten, welche die UNO kulturell und finanziell tragen, war für ihn. Warum wurde er nicht gewählt? Weil er ein Europäer ist. Das Vorurteil gegen die weiße Farbe ist bei der UNO schon stärker, als der gegen die schwarze, wenn überhaupt, beim Völkerbund war. Der Fall Matsch ist ein Schulbeispiel für diese „umgekehrte Rassendiskrimi-nation“.

Wer wurde statt dessen zum Präsidenten gewählt? Der Ghanese Quaison-Sackey. Gegen ihn persönlich ist nichts einzuwenden. Durch seine Vorbildung ist er von denen, die den Vorteil der „neuen Farbe“ haben, einer der geeignetsten. Aber wie steht es mit den anderen Bedingungen? Was für einen Staat vertritt er? Welches Geschrei hätte sich erhoben, wenn ein Südafrikaner vorgeschlagen worden wäre! Nun hat aber Ghana die übelsten Gesetze Südafrikas, welche der Regierung die Einschränkung der Freiheit, sogar die Ausweisung, ohne jeden Schutz dagegen, gestatten, nachgeahmt. Und welcher Regierung! Der absoluten Regierung eines Diktators, der sich mit derselben Servilität, beinahe mit denselben Worten feiern läßt, wie es Hitler tat, der 1964 das Hitler-Gesetz von 1942 kopierte, das ihm erlaubt, jedes Urteil, das ihm mißfällt, aufzuheben und jeden Richter abzusetzen — und der es anwendet.

Schließlich ist aber Quaison-Sackey der Exponent einer Gruppe, die ohne Sinn und Wahl für jedes Unrecht eintritt, wenn es nur schwarz ist, wie sie es durch ihre Entrüstung über die Rettung von hunderten weißer Opfer vor dem grausamsten Geiselmord bekundete. Da er kein Übermensch ist, kann er sich von den Ansichten und Weisungen dieser Gruppe nicht loslösen, die nur zwischen den Schlepptauen von Moskau und Peking schwankt und der zahlungsäumigen Sowjetunion in deren wohlberechneten Trotz den Rücken stärkt. Der handelt es sich ja auch gar nicht um die 52 Millionen Dollar, sondern darum, auch gegen die Satzung alle Entscheidungen in den Sicherheitsrat zu verlegen, in dem sie durch ihr Veto jede unwillkommene Entscheidung verhindern kann. So will sie die UNO zu einem Satelliten Moskaus machen.

Man wird beobachten können, wie der Präsident Quaison-Sackey dem Druck dieser Gruppe widerstehen und sein Amt unparteiisch ausüben kann. Gelingt ihm das, so wird er in die erste Reihe der Staatsmänner der UNO aufrücken.

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