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Die Maulwürfe der Sozis

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Mit Sozialattaches in London, Paris, Washington und Skandinavien „bespitzelten” die Roten die konservativen Botschafter. Schärf war der Architekt.

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Mit Sozialattaches in London, Paris, Washington und Skandinavien „bespitzelten” die Roten die konservativen Botschafter. Schärf war der Architekt.

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Was in der amerikanischen Forschung zur Außenpolitik im frühen Kalten Krieg als „bipar-tsanship” bezeichnet wird, gab es tuch in Österreich. Die ÖVP-SPÖ toalitionsregierung führte das ;erühmte „Proporz”-Denken auch in der außenpolitischen Entscheidungsfindung ein, mußten die wich-.igsten Wendemarken und die gene-elle Politik doch von beiden Parteisn sanktioniert werden. Der geschlossene Eindruck einer solchen -lennen wir es einmal überparteili-jhen Zweiparteien-Außenpolitik :umindest nach außen hin - war tminent wichtig in den Augen der vestlichen Besatzungsmächte. Vor illem die Anglo-Amerikaner gingen lavon aus, daß der innere Zusam-nenhalt der Koalitionsregierung entscheidend sei für das Überleben der Bepublik im Kampf gegen den kommunistischen Expansions- und Subversionsdrang - an den Grenzen des Landes und im Inneren.

Ein vielsagendes Beispiel: Als Vizekanzler Adolf Schärf im April 1946 auf seiner ersten offiziellen Auslandsreise den Genossen Ernest Be-vin in London besuchte und dem gewichtigen englischen Außenminister zu verstehen gab, bei der ÖVP „sei der Mut am Sinken und man sei schon beinahe soweit zu akzeptieren, daß Ostösterreich an die Bussen verloren gehe”, telegraphierte Bevin sofort an Mack, den britischen Vertreter in Wien, mit den Spitzen beider Koalitionsparteien Gespräche zu führen, um eine Verschlechterung der Koalitionszusammenarbeit einzudämmen. Einerseits brachte Schärf mit Becht das Thema einer gesonderten Zonenbehandlung aufs Tapet, hatte Außenminister Gruber doch in der Tat Ende März 1946 Mack vorgeschlagen, die Westzonen zu entwickeln, und die Ostzone bis zum Bückzug der Sowjets „ihrem traurigen Schicksal” zu überlassen. Mack hatte dem entschieden widersprochen. Andererseits wies Schärfs „Nebenaußenpolitik” in London auf ein Dilemma hin, das die österreichische Außenpolitik während der gesamten Besatzungszeit plagte, Schärfs notorisches Mißtrauen, Grubers Außenpolitik würde ohne Einwirkung und unter Ausschaltung des SPÖ Koalitionspartners erfolgen. Zum Teil hatte Schärf recht. Die entscheidenden Stationen von Grubers Südtiroldiplomatie 1946 scheinen wirklich eine „one man show” des eigenwilligen Tirolers gewesen zu sein, und auch in der Staatsvertragsdiplomatie ging Gruber wiederholt eigene Wege.

Schärf wußte sich aber als Architekt einer Zweiparteien „Proporz-Außenpolitik” zu helfen. Er baute einen eigenen Apparat von „Spionen” in den wichtigsten österreichischen Auslandsvertretungen der ersten Stunde auf, die Gruber und dem traditionell konservativen österreichischen diplomatischen Apparat auf die Finger schaute. Die sogenannten „Sozialattaches” Walter Wodak in London, Ernst Thalberg in Washington, Ernst Lemberger in Paris und Bruno Kreisky in Skandinavien waren nichts anderes als „Maulwürfe” (in Moskau brauchte man keinen, denn Norbert Bischoff galt als SPÖ nahe). Neben ihrem regulären Dienst - und sie waren alle sehr begabte junge Diplomaten -agierten sie als Spürhunde vis-a-vis den konservativen politischen Vertretern Heinrich Schmid, Ludwig Kleinwaechter, Alois Vollgruber und Paul Winterstein, und hielten ihre Partreifreunde in Wien auf dem Laufenden. Über diese Maulwürfe -im Grunde genommen eine Art separater SPÖ Auslandsvertretungen - konnten die Wiener Zentrale und die wichtigsten Züge von Grubers Außenpolitik immer kontrolliert werden.

Schärf wäre aber kein penibler Anwalt und Wiener Großbürger gewesen, wäre es ihm nicht auch um die Äußerlichkeiten diplomatischer Repräsentanz gegangen. Bei diplomatischen Empfängen in Wien mußten immer die Führungskräfte beider Parteien nebeneinander auftreten und auch bei den wichtigsten Auslandsreisen legte er Wert darauf, daß die parteiliche Balance gewahrt blieb und Sozialisten im Schlepptau mitreisten, woran sich die ÖVP Granden nicht immer hielten.

Die Spitzenpersönlichkeiten beider Parteien wurden immer wieder von hochrangigem diplomatischen Personal der Besatzungsmächte ausgiebig über den Stand besonders der inneren Kohärenz der Koalitionsregierung ausgefragt. Unzählige solcher Berichtsmemoranden befinden sich in ausländischen Archiven und werfen ein bezeichnendes Licht auf die hier angesprochene „Proporz-Außenpolitik”.

Man sprach nicht immer mit einer Stimme. Oft betrieb man parteiliche Außenpolitik und versuchte einander anzuschwärzen, so zum Beispiel als Schärf 1951 einem amerikanischen Botschaftsangehörigen ein Interview gab, in dem er am Koalitionspartner ÖVP kein gutes Haar ließ. Grubers Außenpolitik sei nur von Mißerfolgen gekennzeichnet und der Außenminister bilde sich sogar ein, er könne die Besatzungsmächte gegeneinander ausspielen. Dabei sei Gruber, so Schärf, „wenigstens ein Freidenker, mit dem man offen reden konnte, ohne dahinter gleich den Einfluß des Beichtstuhls befürchten zu müssen, was vom Best (in der Volkspartei) nicht behauptet werden konnte”. Abgesehen vom oberösterreichischen Landeshauptmann Heinrich Gleißner, der wenigstens „Deutsch lesen und schreiben” konnte, so Schärf, sei der intellektuelle Stand der ÖVP Politiker „zum Weinen”. Solche Tiraden werfen ein bezeichnendes Licht auf die pathologisch mißtrauische „Nebenaußenpolitik” der SPÖ wurde.

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