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Jonas: „Tief beeindruckt“

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Die aus polemischen Gründen so oft — und nicht immer fair — kritisierte Ostpolitik des Bundeskanzlers beginnt ihre Früchte zu tragen. Selbst der Bundespräsident erklärte nach seiner Rückkehr von seinem offiziellen Staatsbesuch in Moskau uhd Leningrad spontan, er sei von dem Erlebten „tief beeindruckt“ Kein Wunder: Überall in der UdSSR, wo die österreichische Delegation mit offiziellen Persönlichkeiten oder auch mit der einfachen Bevölkerung in Kontakt kam, betonte man die Anerkennung Österreichs als freier, neutraler und vertragstreuer Staat an der Schnittlinie zweier Gesellschaftssysteme, überall erinnerte man an den mit Raab und Figl abgeschlossenen Staatsvertrag, überall unterstrich man die Aufrichtigkeit der österreichischen Außenpolitik

Nicht alle sind mit dieser Politik des eindeutigen Bekenntnisses zur freien Welt, die keineswegs das friedliche Nebeneinanderleben mit anderen Gesellschaftssystemen ausschließt, zufrieden. Als Bundeskanzler Dr. Klaus 1967 in der UdSSR weilte und durch sein klares Auftreten als Regierungschef einer freien Republik den Sowjets zu erkennen gab, daß Österreich gleichberechtigte Anerkennung fordert und auf dieser Basis zur wirtschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen und technischen Zusammenarbeit bereit ist, kritisierte der kaum ein Jahr aus dem Amt als Außenminister ausgeschiedene Vorsitzende der SPÖ, Dr. Bruno Kreisky, daß sich der Kanzler von diesem Besuch beeindruckt zeigte. In einer Rede vor dem Nationalratsplenum am 19. April zog er alle ihm zur Verfügung stehenden rhetorischen Register, um zynische Heiterkeit bei seinen Genossen über die Politik der österrei chischen Regierung zu erwecken. Um nicht mißverstanden zu werden: Wer die Visite des österreichischen Staatsoberhauptes miterleben konnte, stimmt vollkommen darin überein, daß die Begegnung mit den Politikern und der Bevölkerung der Sowjetunion beeindruckend war. Man spürte auf Schritt und Tritt, daß die früheren Besuche der Regierungschefs bis herauf zu Dr. Klaus entscheidende Grundlage dafür waren, daß dieser jüngste Staatsbesuch so beeindruckend verlief. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Österreicher nicht mehr als Bittsteller vorzusprechen brauchten, sondern als Gäste, als gleichberechtigte Partner, kamen.

Wirtschaftspolitische Früchte

Manifestierte sich dieser Eindruck schon in der Tatsache, daß die AUA- Caravelle mit den rotweißroten Farben von einer Düsenjägerehreneskorte eingeholt wurde, so verstärkte er sich beim Besuch eines Holzbearbeitungskombinats, das zur

Gänze von einer österreichischen Firma projektiert und mit Maschinen ausgerüstet worden war. Auf der internationalen Maschinenausstellung „Interbytmasch“ schließlich, der Welt größten Ausstellung für Kommunalausrüstung und Wohnungseinrichtung, stellt Österreich nach Großbritannien die zweitgrößte ausländische Beteiligung.

Außenminister Dr. Waldheim schließlich fand im Kreml interessierte Gesprächspartner für bilaterale und weltweite Probleme. Und wenn Österreich einen sieben Jahre laufenden Pipeline-Liefervertrag bekommt, wehn ein wissenschaftlich- technisches Abkommen unterzeichnet werden konnte, wenn Verhandlungen über weitere Abkommen aufgenommen werden — ist das nicht Grund genug, die Erfolge dieser Politik und ihren sichtbaren Ausdruck bei offiziellen Besuchen als „tief beeindruckend“ zu empfinden?

Eine Erklärung des sozialistischen Parteivorsitzenden, wieso es kritikwürdig sei, wenn der Bundeskanzler beeindruckt ist, das gleiche Empfinden des Bundespräsidenten jedoch in Ordnung sei, fehlt bislange noch. Sie zu suchen, sollte sich Dr. Kreisky aufraffen, wäre wünschenswert.

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