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Eisenhower auf großer Fahrt

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Präsident Eisenhower hat eine Besuchstournee angetreten, wie sie selbst sein verewigter Außenminister John Foster Dulles, der unbestrittene Weltmeister flugmotorisierter Staatskunst, hinsichtlich der zu bewältigenden Entfernungen und der Zahl der mit der Uhr in der Hand abzuhaltenden diplomatischen Zusammenkünfte kaum hätte überbieten können. In knapp 14 Tagen soll ein Programm abgewickelt werden, welches Visiten in neun Hauptstädten Europas, Asiens und Afrikas vorsieht, bevor der Präsident am 19. Dezember, aus Tunis kommend, zur westlichen Gipfelkonferenz in Paris eintrifft, um schon am 21. Dezember über Rabat nach Washington zurückzukehren. Was er von seiner Reise zweifellos mitbringen wird, sind Listen der spezifischen Probleme, der Wünsche, Befürchtungen ‘ und Beschwerden, die ihm die fremden Staatsmänner vorgetragen haben, und wohl auch das Gefühl, daß sein Besuch da und dort dazu gedient haben mag, dem amerikanischen Einfluß die etwas holprig gewordenen Wege zu ebnen: so namentlich, wie man annehmen darf, in Indien, dessen Regierungschef in seiner gegenwärtigen bedrängten Lage eine Annäherung an die westliche Weltmacht, der gegenüber er sich bisher sehr kühl gezeigt hat, jetzt für ratsam halten dürfte. Vom Abschluß neuer Bündnisse kann natürlich keine Rede sein, ebensowenig wie von sonstigen sensationellen Ergebnissen. Eisenhower reist weder als Unterhändler noch als ein mit Geschenken beladener Santa Claus, der Zusagen erhöhter amerikanischer Wirtschaftshilfe austeilen wollte: letzteres käme schon mit Rücksicht auf die angespannte budgetäre Lage der USA nicht in Frage. Die Aufgabe, die er sich gestellt hat und zu deren Erfüllung er durch seine gewinnende Persönlichkeit besonders geeignet erscheint, liegt in der Schaffung oder Erneuerung freundschaftlicher Kontakte — einer Atmosphäre des „good will", wie die Angelsachsen das nennen — und nicht zuletzt in der Stärkung des vielleicht etwas schwankend gewordenen Vertrauens seiner Gesprächspartner bei der Pariser Konferenz, daß sich an den Grundzügen der amerikanischen Außenpolitik, besonders auch dem kommunistischen Osten gegenüber, nichts geändert hat.

stimmten Bahn gehaltenen nationalen Tendenzen eine andere Richtung gab. Die enge Verknüpfung, die in der amerikanischen Mentalität zwischen Wohlstand, demokratischem Bewußtsein und Ablehnung kriegerischer Abenteuer besteht, tritt immer offener zutage, und gerade auch in den führenden Schichten, bei den Männern der Großindustrie und des Großkapitals, •bei Professoren, hohen Bundesbeamten und Mitgliedern gesetzgebender Körperschaften. Die Führung der UdSSR, so wird argumentiert, geht unaufhaltsam in die Hände der Wissenschaftler und der Manager, also der „neuen Klasse", über, der, laut Djilas, an marxistischen Dogmen und revolutionären Zielsetzungen nichts mehr liegt, um so mehr aber an der Erhaltung und

Ausweitung ihrer privilegierten Positionen; und je mehr sich diese aufsteigende sowjetische Prominenz in ihren Lebensansprüchen und ihrem Verlangen nach äußeren Standes- und Machtsymbolen der amerikanischen Elite nähert, desto stärker wird sich ihr Druck im Sinne einer Entideologisierung des sowjetischen Regimes und seiner Abkehr von jedem den Frieden bedrohenden Vorhaben geltend machen, eine Entwicklung, die nicht besser gefördert werden könnte als durch Intensivierung offizieller und privater Fühlungnahmen und Aussprachen, durch Ausbau des amerikanisch-sowjetischen Handels, durch vermehrten Kulturaustausch in allen seinen Formen und sogar — selbst das wird -bereits offen ventiliert — durch Gewährung ausgiebiger Kredite zur Finanzierung sowjetischer Käufe in den USA. Es ist klar, daß es sich hier um eine Spekulation handelt, die große Gefahren in sich birgt und deshalb auch von einflußreichen Kreisen, namentlich der von Dean Acheson — dem letzten und vielleicht ersten künftigen demokratischen Außenminister — geführten Gruppe, schärfstens abgelehnt wird. Präsident Eisenhower ist sich dieser Gefahren sicherlich bewußt. Wenn er trotzdem den Entschluß gefaßt hat, der amerikanischen Rußlandpolitik im letzten Jahr seiner Amtsführung eine so gewagte These zugrunde zu legen, so handelt er, bildlich gesprochen, wie der Kapitän eines Seglers, den auf seinem bisherigen Kurs „hart am Wind“ heftiger Sturm und hoher Seegang gehindert haben, dem Zielhafen, wo ihn Ruhe und Sicherheit erwarten, näherzukommen, und der nun das Ruder „vom Winde abfallend“ umlegt, in der Hoffnung, durch Aufkreuzen in stilleren Gewässern das Ziel doch zu erreichen. Eisenhowbrs neuer „weicher“ Kurs gibt zweifellos vorsichtigeren Gemütern zu mancherlei Bedenken Anlaß, er mag aber des Versuches wert sein; vorausgesetzt allerdings, daß Regierung und Volk der Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten wachsam bleiben und gewappnet für den Fall, daß sich das Experiment als verfehlt erweisen sollte.

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