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Unter dem Konsulat Northeliffes

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Es fällt nicht lei At, diese TatsaAe in den: Jahren von 1912 bis 1948, mit denen siA der letzte Band besAäftigt, im Auge zu behalten, denn die beiden Haupt- Aeriien dieser Zeit, das Northcliffe- Regime und die unrühmliAe „Times“- Politik der dreißiger Jahre, hätten den Ruf.einer jeden andern Zeitung ein für allemal zerstören können.

Northcliffe war Ire und hatte die englische populäre Presse begründet. Dįe Massenauflagen seiner Zeitungen, besonders der „Daily Mail“, hatten niAt zuletzt auA die „Times“ in eine verzweifelte finanzielle Lage gebraAt, und die MögliAkeit, nun auA in den Besitz des geheiligten Printing House Squares zu gelangen, sAmeiAelte den MaAt- gelüsten dieses Zeitungsnapoleons niAt wenig. Im Jahre 1908 zahlte ein ReAts- anwalt in einem Londoner GeriAt 320 Tausendpfundnoten für einen „Mr. X“ ein, aber vier weitere Jahre verstriAen, bis Northcliffe alleiniger Herr im Hause war-, und die Auflage der „Times“ fiel während dieser Zeit weiter. Dann begann er zu handeln. Ein neuer Chefredakteur wurde angestellt, der Preis der Zeitugg von drei Pennies auf einen herabgesetzt, und bei AusbruA des ersten Weltkrieges war die Auflage, auf Kosten des „Daily Telegraph", von 41.000 auf 278.348 gestiegen.

Northcliffe maAte das UnmögliAste mögliA. Er war ein heftiger, inkonsequenter Mann ohne wirkliAe Bildung, aber ein journalistisAes Genie, dessen waAsamem Auge niAts entging. Er prüfte jede Nummer der Zeitung aufs genaueste, kritisierte AufmaAung, Druck, Papier, Anzeigen, Auflageziffern, Gehälter und sandte seinen Redakteuren täg- liche Kommuniquös und Telegramme. Er führte den vierten, „leiAtgehaltenen“ Leitartikel ein und gab den Redakteuren Ae populären „Daily-Mail“-Artikel „zur

Erziehung" zu lesen. Mit seinen diktatorischen Instinkten wuchs sein Größenwahn, dem sein Geist schließlich erlag. Die Beschreibung der letzten Tage dieses Zeitungscäsars, der von seinem

Krankenbett aus auf vier Tėjephonen gegen seine Prokonsuln wütete und alle zu entlassen drohte, könnte von Balzac stammen- Dabei war Northeliffes Machthunger frei gewesen von allen politischen Ambitionen, aber diese Machtgelüste waren solcher Art, daß Churchill dem Premierminister Asquith verschlagen konftte, die „Times“ zu kommandieren und in eine amtlich britische Gazette zu verwandeln.

Die Politik der „Times" war vor North- eiiffe hauptsächlich von Auslandsredakteuren und ausländischen Korrespondenten mit außergewöhnlichen Kenntnissen und Einflüssen bestimmt worden. Er setzte den kultivierten und hochgebildeten Geoffrey Dawson als Chefredakteur ein, den er zu seinem eigenen Sprachrohr machen wollte. Dawson aber batte eigene Ideen und würde entlassen: seinem Nachfolger, Wickham Steed, ging es nicht viel besser- Als Nofthcliffe 1922 starb, herrschte Chaos. Sein Genie hatte die Zeitung wohl gerettet, aber der Geist, der ihr Leben gegeben hatte, war in Todesgefahr. Lloyd George gab fast sein Amt als Premierminister auf, um Chefredakteur zu werden, aber schließsich gelang es dem ursprünglichen Besitzer, John Walter, mit Hilfe von eineinhalb Millionen Pfund des reichen Oberst A s t o r, die Zeitung zurückzuerwerben. Ein Komitee wurde gebildet, Um die Zukunft des Besitzes zu sichern, so daß die Aktien nicht in unwürdige Hände gelangen würden. Dem Komitee gehören noch heute an: der oberste englische Richter: der.Werden des All Souls College, Oxford: der Präsident’ der Royal Society und der Gouverneur der Bank von England. Die Politik der „Times wurde mit diesen Worten umschrieben: „Ein aufgeklärter Konservativismus, der dem Prinzip der Kontinuität den Vorzug gibt, aber dem unvermeidlichen Fortschritt der politischen Entwicklung weder verschlossen noch feindlich gegenübersteht."

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