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Vorsicht: Proporz!

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„Es wurde bisher herzlich weinig getan, um die Sache zu fördern”, meinte der Generaldirektor der ÖIG, Laschtowizcka, anläßlich einer Pressekonferenz in der Vorwoche mit Blickrichtung auf die Reform der österreichischen Metallindustrie, Wenig getan wurde aber auch bei der Aufsichitsratsitzung, die unmittelbar vor der Pressekonferenz von 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr stattfand. Die Wirt- schaftsipubliziisten, die sich zu der bereits für 15 Uhr einberufenen Pressekonferenz in den engen Vorräumen der ÖIG drängten, um auf ein konkretes Ergebnis zu warten (Pressechef Schramm-Schiessl: „Wir haben nur einen Sitzungssaal”), zogen nach zwei Stunden enttäuscht ab, als ihnen nur gesagt wurde, daß erst in ein bis zwei Monaten mit einer Teillösung auf dem Edelstahlsektor zu rechnen sei.

Das Expertengutachten, dessen detaillierte Ergebnisse der Presse vom ÖIG-Generaldirektor vorgelegt wurden, zeigte aber, daß angesichts der großen Konkurrenz im Ausland eine Lösung im Sinne des Expertengutachtens dringend notwendig ist. Denn außer der Alpinen Montangesellschaft, die nur 15 bis 20 Prozent ihrer Produktion exportiert, sind alle österreichischen Großwerke bei 60 bis 85 Prozent ihrer Erzeugnisse exportabhängig.

Das ausländische Gutachteiteam war von den Geschäftsergebnissen des Jahres 1966 ausgegangen. Damals hatte die Rezession auf dem Stahlsektor begonnen. 1967 hatte sich diese Abwärtskurve auch in Österreich vertieft. 1968 spricht man zwar bei den Stahlproduzenten wieder von einer Ausweitung der Produktion, gibt aber selbst zu, daß die Aufwärtsentwicklung bei den Auftragseingängen größer ist als die Verbesserung der Ertragslage. Denn durch die ausländische Konkurrenz gelangt der österreichische Stahl immer mehr in eine Kostenschere.

Dazu kommt aber noch, daß die verstaatlichte Stahlindustrie in den letzten Jahren mehr nach Proporz denn nach wirtschaftlichen Grundsätzen geführt wurde. Die Gutachten befleißigen sich auch in dieser Richtung einer sehr offenen Sprache.

Generaldirektor Laschtowizcka: „Es lag drinnen, daß etwas kritisiert werden sollte.” Die härteste Kritik mußte denn auch tatsächlich die Proporzführung einzelner Unternehmungen ertragen, so heißt es im Gutachten unter anderem: „Die Unternehmen wurden so geführt, als ob sie für sich allein auf der Welt existierten.” Mag dieses Urteil für den Nichtwirtschaftsfachmann fürs erste gar nicht so hart erscheinen, so geht daraus hervor, daß man in Österreich Konzentration und Rationalisierung, wie sie angesichts der Konkurrenz der amerikanischen und japanischen Metallindustrie . notwendig waren, einfach ignoriert hat.

So kam es dazu, daß

• man in der österreichischen Eisen- und Stahlindustrie nicht ein einheitliches Ganzes sah, sondern verschiedene Konkurrenzunternehmen mit oft gleichartiger Produktion;

• daß bei gewissen Abschnitten der Produktion Überkapazitäten eintraten und daß Maschinen und Walzen nicht so ausgelastet waren, wie dies für ‘eine wirtschaftliche Rentabilität nowendig gewesen wäre, ,

• und schließlich als Hauptübel der Proporzführung „personelle Überbesetzung” in fast allen Betrieben usuell- wurde.

Denn, wenn die österreichische Metallindustrie nunmehr konzentriert werden soll, sei es durch Fusion der Alpine und der VÖESt. und der anderen Produzenten oder durch Schaffung einer Holding-Gesellschaft, kätih man sie hoch Immer nicht mit den Riesenkonzemen des Auslandes vergleichen.

Zu der mangelnden Wirtschaftlichkeit kommt aber auch noch hinzu, daß man bei der österreichischen Metallindustrie bisher versäumt hat, den notwendigen Abbau bei den Arbeitern durchzuführen — das Expertengutachten spricht von 12.000 bis 15.000 Arbeitern zuviel —, da man bis 1968 nur 4300 Personen abgebaut hat.

Auch über den weiteren Abbau des minderwertigen Erzbergproduktes, das mit dem brasilianischen Erz nicht Schritt halten kann, ist man sich noch im unklaren.

Österreich hat dazu im Jahre 1968 praktisch nur einen modernen Hochofen in Donawitz. Die Anlagen der VÖESt. und die übrigen Anlagen sind zwar noch keineswegs besonders alt, aber trotzdem nicht mehr „up to date”.

In der ÖIG ist man sich darüber im klaren, daß nunmehr zumindestens auf dem Edelstahlsektor eine Konzentration oder eine Kollaboration erfolgen muß. Vorschläge der Experten hierfür sind:

• eine einhellige Willensbildung auf dem österreichischen Stahlsektor,

• eine einheitliche Konzemspitze und darunter einzelne Bereiche für die gesamten Produzenten. (ÖIG: „Unser Vorbild ist die Organisation der amerikanischen Stahlkonzerne, wo ein einziger Mann die volle Verantwortung trägt.”)

An der Spitze des Konzerns soll in Hinkunft nicht ein nach Proporzgesichtspunkten zusammengesetztes Direktorium stehen, sondern alleinverantwortliche Fachleute. Sie sollen dann die Absatzorganlisationen, die Investitionen und die weiterverarbeitenden Betriebe aufeinander abstimmen, um „eine angesitrebte, raschere Entwicklung” zu erreichen.

Daß es jedoch bei der ÖIG-Auf- sichtsratsitzung, bei der das gesamte K-nzept behandelt wurde, wieder nur „neue Aspekte und neue Beschlüsse” gab, mag darauf zurückzuführen sein, daß auch in der In- dustriieverwaltungsgesellschaft Vorstand und Aufsiohtsrat in ihrer Zusammensetzung noch die „Crux” des Proporzes zu tragen haben.

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