6767187-1968_40_05.jpg
Digital In Arbeit

Nach 40 Stunden Pfusch

Werbung
Werbung
Werbung

Bei den Sozialisten ist es ein offenes Geheimnis, daß der harte Wahleinsatz von zehntausenden schwedischen Gewerkschaftsfunktionären für die Parteipropaganda der Sozialdemokraten erheblich zum Sieg der Erlander-Partei beigetragen hat.

Hatte es vor einigen Monaten den Anschein, als könnte es dem SPÖ- Zentralsekretär Probst gelingen, den Realpolitiker Benya und mit ihm die SPÖ-Gewerkschaftsfraktion auf „schwedischen“ Kurs zu bringen, so ist Benya auf dem wirtschaftspolitisch realistischen Boden geblieben und hat die Vergewaltigungsversuche der Partei überstanden. Daß überdies der Nationalbank- Generaldirektor-Stellvertreter Wir- landner (SPÖ) nun doch als Investbank-Vorstandsmitglied akzeptiert werden wird, um den Frieden in der

Sozialpartnerschaft aufrechtzuerhalten, scheint nur noch eine Frage der Zeit.

Im übrigen hat sich Benya in der Führung des ÖGB für die Weiterführung der bisherigen Linie entschieden: Er stellt die Interessen der Arbeitnehmer, die er ja zu vertreten hat, in den Vordergrunds anstatt nach Probst-Willen sein Hauptziel darin ztt' sehen der Regierung Schwierigkeiten um den Preis zu machen, daß sich kurzfristige Kontrasterfolge einer radikalen Gewerkschaftspolitik als Bumerang für die Arbeiter und Angestellten entpuppen.

Von den Taktikern in der Löwelstraße geschürt, wurden auch in den einzelnen Gewerkschaften Stimmen laut, welche die vorzeitige Aufkündigung von Kollektivverträgen verlangten: Der Regierung sollten mit einer neuen Lohnwelle die Felle des zart knospenden Konjunkturanstiegs weggeschwemmt werden. Benya

stieg sofort auf die Bremse. Seine Aussagen über die Konjunktur waren stets um einige Grade weniger optimistisch als die der Wirtschaftsforscher. Denn offensichtlich wollte er damit vermeiden, daß noch mehr Gewerkschaften den Konjunkturaufschwung des nächsten Jahres schon heuer mit Lohnerhöhungen aufzehren wollen. Denn auch den Gewerkschafts-Wirtschaftsexperten ist klar, daß solche Methoden die Konjunkturkurve wieder nach unten drücken würden.

Nebenkriegsschauplatz

Benya aber tat noch ein zweites: Er startete ein Ablenkungsmanöver und präsentierte neuerlich die Forderung nach einem neuen Arbeitszeitgesetz. Die45-Stunden-Woche soll auf 40 Stunden reduziert .werden. Die Wirtschaft meldete Bedenken an, obwohl Benya nur von einer etappenweisen Einführung gesprochen hatte. Doch der ÖGB-Chef machte sich stark, legte sich auf eine Realisierung der 40-Stunden-Woche innerhalb der

nächsten drei Jahre fest und hatte damit seinen beabsichtigten Nebenkriegsschauplatz. Wie stark Benya in Zukunft auf die Realisierung der 40-Stunden-Woche drängen wird, hängt nach Ansicht politischer Beobachter aber davon ab, wie stark der Druck der Parteimanager in der Löwelstraße auf die sozialistischen Gewerkschafter ist.

Freilich stößt die Forderung nach der 40-Stunden-Woche auch in der Gewerkschaft und in der SPÖ nicht nur auf Gegenliebe. Sozialistische Wirtschaftsfunktionäre leiden ebenso unter einer schleppenden allgemeinen Arbeitsmoral. Überdies bringen die durch die Verkürzung in vielen Branchen notwendig werdenden Überstunden zahlreiche besser gestellte Arbeitnehmer in eine steigende Steuerprogression.

Und schließlich — so wird argumentiert, würde der Pfusch blühen, der in manchen Wirtschaftssparten zu gefährlichen Arbeitsplatzgefährdungen führen könnte. Der Pfusch nach 40 Stunden ist dazu angetan,

auch einer zukünftigen eventuellen SPÖ-Regierung keine Freude zu bereiten.

Wer aus dem Verhalten des ÖGB- Präsidenten oder auch aus den dem Vernehmen nach trotz fliegender Hobelspäne gar nicht so schlecht laufenden Verhandlungen über das ÖBB-Gesetz mit den Eisenbahner- Gewerkschaftern darauf schließen wollte, Benya verfolge einen regierungstreuen Kurs, der verkennt den politischen Realismus dieses Mannes. Sein Kurs läuft gegenwärtig nur zufällig parallel mit den Interessen der Regierungspolitik: Ist er doch beinhart dabei, vor den Parteimitgliedern und -funktionären zu dokumentieren, daß er faktisch der effektivste Politiker der SPÖ ist.

Er sitzt im Gegensatz zu dem realpolitisch wenig effektiven Programmautor und Parteivorsitzenden Doktor Kreisky und dem durch zu verlängernde Verfassungsgesetze ein wenig aufgewerteten Klubobmann DDr. Pittermann als einziger an einem echten Machthebel. Daß er ihn gebrauchen wird, wenn er darin Vorteile spürt, steht außer Zweifel. Er ist jedoch zu klug, um seine Position um den Preis einer aus rein parteitaktischen Gründen gefährdeten Wirtschaftsentwicklung aufs Spiel zu setzen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung