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Probst: Austromarxistische Kriegstänze

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Nunmehr sickerte durch, daß es zwar keinen offiziellen ÖGB-Be- schluß für die Nominierung Wirland- ners gegeben hatte, die Fraktion christlicher Gewerkschafter jedoch eher zur Unterstützung Benyas ia diesem Fall neige. Dies vor allem deshalb, weil Benya in Angelegenheiten Investbank zumindest über in der Öffentlichkeit wirksame Argumente verfügt, um eine Beendigung der Zusammenarbeit zwischen ÖGB und Regierung zu begründen.

Wenn Wirlandner nun tatsächlich Investbank-Vorstandsmitglied wird, müßte sich in den nächsten Monaten herausstellen, ob jene Recht gehabt haben, welche davon sprachen, daß die SPÖ-Gewerkschafter nur nach einer Absprungbasis suchen. Politische Beobachter sind der Ansicht, daß sich dann zeigen müßte, ob Zentralsekretär Probst tatsächlich auf die SPÖ-Gewerkschafter Einfluß hat.

Daß Probst das Wahlkampfheil in der Radikalisierung der Innenpolitik zu finden glaubt, scheint an Hand von Äußerungen, vor allem Auslandsjournalisten gegenüber, ziemlich sicher. Probst machte kein Hehl daraus, daß die SPÖ seiner Meinung nach die Regierung durch hohe Lohnforderungen, Streiks und Straßen- demonstrationen in die Knie zwingen sollte. Dazu aber braucht er unter allen Umständen den Gewerkschaftsbund.

Aus diesem Grund will man von seiten der Regierung nun offensichtlich versuchen, die Aufnahme Wir- landners in den Investbank-Vor- stand doch zu bewerkstelligen. Denn: Damit wäre das erste Absprungargument für Benya aus dem Weg geräumt. Ob Benya durch den Druck aus der SPÖ-Zentrale zu einem zweiten Absprungversuch gezwungen werden kann und ob sich hier ein triftiger Grund ohne allzudeutliche Provokation konstruieren läßt, ist derzeit noch nicht absehbar.

Inzwischen aber werden die Stimmen jener immer lauter, welche vor Experimenten mit dem überparteilichen Gewerkschaftsbund warnen. Die Visionen, die nunmehr auch von ernstzunehmenden Sozialisten verbreitet werden, sind so schwarz, daß sie ein echtes Gegengewicht gegen die Sezessionsbestrebungen der gedrängten SPÖ-Gewerkschafter darstellen könnten.

Es wird nicht nur darauf hingewiesen, daß die Überparteilichkeit des Gewerkschaftsbundes bisher in wirklich wichtigen Fragen nie in Frage gestellt war, sondern der Fall aufgerollt, was geschähe, wenn die sozialistischen Gewerkschaftsmitglieder im Präsidium des ÖGB gegen die Stimmen der christlichen Fraktion einen Abbruch der Beziehungen zur Regierung beschließen. Von politischen Beobachtern wird es für diesen Fall für durchaus möglich gehalten, daß es zu einem tiefen Riß im ÖGB, wenn nicht zur echten Spaltung zwischen SPÖ-Gewerk- schaftern und christlichen Kollegen kommt.

Bisher hat sich SPÖ-Vorsitzender Dr. Kreisky peinlich aus diesem Konflikt herausgehalten. Da es hier jedoch um die wichtige Frage der Wahlkampflinie der SPÖ für 1970 geht, wird ihm das vor allem in der mittleren Punktionärsschicht schwer angekreidet. Fest steht jedenfalls, daß hinter den Kulissen der SPÖ- Parteifront noch bis zum Parteitag echt um die Wahlkampflinie der Sozialisten gerungen werden wird: Entweder radikaler Probst-Kurs oder staatsmännischer Kreisky-Kurs. Noch ist nicht klar, wer von den beiden sich durchsetzen wird.

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