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Der zeitlose Ruf

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Der Ruf nach den Werken der Barmherzigkeit wird nie verstummen. Durch Jahrhunderte und Jahrtausende wurde er in immer neuer Weise in der christlichen Gemeinschaft weitergetragen. Jede Epoche wußte ihm aktuellen, tagesbezogenen Inhalt zu geben.

Die Forderungen nach den leiblichen und geistigen Werken der Barmherzigkeit erläuterten die Apostel und ihre Schüler in ihren Reden und Schriften. Als wesentlich verwirklichten sie die ersten Christengemeinden in ihrem Alltag. Wie wesensnotwendig es sei, das Christengebot tätiger Nächstenliebe durch Werke der Barmherzigkeit zu erfüllen, verkündeten in Wort und Schrift die Mystiker des Mittelalters, die Wegbereiter der Reformation und die Wortführer der katholischen Erneuerung nach der Spaltung der Christenheit.

Maler, Bildhauer und Zeichner sagten durch die Jahrhunderte hindurch in der Sprache der Kunst das gleiche aus. Immer wieder wurden auch Dichter und Schriftsteller Mahner zur Nächstenliebe.

Jedes einzelne dieser Werke der Nächstenliebe bedeutet auch heute, ja gerade heute, eine große Aufgabe.

Von den Tagungen des Exekutivkomitees der Caritas internationalis, der Mitteleuropäischen Caritaskonferenz und der österreichischen Caritasdirektoren, die in der Zeit vom 16. bis 20. März in Innsbruck stattfinden, erwarten wir wesentliche Beiträge dazu, die materielle und geistige Not der Zeit besser zu verstehen und sie aus ihren Wurzeln heraus überwinden oder wenigstens lindern zu können.

Diese Gespräche mögen eine Hilfe zu neuem Verstehen des Mitmenschen, seiner Sorgen und seiner Nöte bieten. Sie werden sicher auch Einblick in die Grundgesetze für die Erneuerung der menschlichen Gemeinschaft überhaupt geben.

Die Not der Stunde kann nur durch Taten bewältigt werden aus dem lebendigen Wissen heraus, daß die Jahrtausende alten Forderungen der Heiligen Schrift nach den Werken der Barmherzigkeit in ganz besonderer Weise dem Hier und Heute gelten, das weithin eine Gefangenschaft der Angst, der Sorge, des Neids, des Mißtrauens oder des Unglaubens geworden ist. Es braucht Arbeiter, die bereit sind, Hand anzulegen. Um eine neue Welt aufzubauen, brauchen wir etwas weniger „Architekten“, aber ein wenig mehr „Maurer“.

Die leiblichen Werke helfender Barmherzigkeit werden mehr und mehr auch den geistigen Werken zuzuordnen sein, denn alle Not der Zeit kann im letzten nur aus dem Geistigen, aus dem Glauben überwunden werden.

Diese Tagung wird aber auch die alte Erkenntnis wieder deutlich machen, daß die Erfüllung des Gottesgebotes der Barmherzigkeit vom Menschen der Gegenwart nicht allein auf die großen Einrichtungen der staatlichen Wohlfahrt, der Caritas und anderer Hilfswerke abgewälzt werden kann. So lebensnotwendig die Tätigkeit dieser Einrichtungen ist und so dankbar Millionen Menschen für deren Wirken sind, so bleibt es doch Pflicht jedes einzelnen Menschen, die leiblichen und geistigen Werke der Bärmherzigkeit am Mitmenschen dieser Zeit selbst zu tun.

Jeder einzelne von uns ist aber auch mitverantwortlich für die Beseitigung geistiger und materieller Not, möge sie auch wo immer auf dieser Erde sein.

Deshalb wird auch von dieser Zusammenkunft wieder der Ruf nach dem dienenden, liebenden, für die Notleidenden sorgenden Menschen ausgehen. Ob er das rechte Echo finden wird, davon hängt auch im Zeitalter der Atome und Weltraumraketen, der Vermassung und der dämonischen Jagd nach dem materiellen Fortschritt Entscheidendes für die Zukunft der Menschheit ab.

Als Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck wünsche ich in diesem Sinn allen Tagungsteilnehmern, die ich in unserer schönen Stadt herzlich willkommen heiße, eine erfolgreiche Arbeit.

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