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Gespräche über die Grenze

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Es ist zu einer modischen Tätigkeit geworden, Gespräche zu führen, über weltanschauliche, nationale und politische Barrieren hinweg — immer vorausgesetzt, daß es dem Partner wirklich um das Gespräch und nicht nur um eigensüchtigen Gewinn geht. Die Grenze im Süden unseres Vaterlandes war viele Jahr hindurch eine Grenze des Kalten Krieges, des Mißtrauens; die Karawanken waren nicht nur ein natürlicher Wall. Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Mit dem wachsenden Touristenstrom ist auch der Gedankenaustausch reger geworden. Das Eis überholter Ressentiments schmilzt. Verantwortliche Leute aus Politik, Wirtschaft und Kultur von hüben und drüben sind sich darüber im klaren, daß die Zeit blasser werdender politischer Grenzen in diese Entwicklung drängt.

Das „Europahaus als Vermittler

Um Gespräche in Gang zu bringen, bedarf es fruchtbarer Initiativen. Das Europahaus in Klagenfurt-

Annabichl, eines von vielen Europahäusern im westlichen und mittleren Teil unseres Kontinents, versucht in letzter Zeit solche Fäden nach dem Süden zu spinnen. Bereits am 15. Oktober kam es zu einer größeren Begegnung von nahezu allen im Bundes jugendring vertretenen

Kärntner Jugendorganisationen mit der Gymnasialjugend und mit Jugendfunktionären in Celje/Cilli. Das, was manche befürchtet hatten, daß man sich nämlich nichts zu sagen haben würde, trat nicht ein, im Gegenteil: der gemeinsamen Fragen und auch gemeinsamen Anschauungen waren so viele, daß die Zeit zu knapp wurde. Von der gemeinsamen Vergangenheit aus den Tagen der Monarchie weiß die Jugend nichts, aber dieses Gemeinsame ist wohl unbewußt in den Kontakten durchgeklungen. Dabei gab es selbstverständlich keinen Ausverkauf weltanschaulicher Positionen, weder bei den 40 Teilnehmern der Exkursion aus Kärnten und der Steiermark noch bei den Freunden in Celje. Die

Vertreter der slowenischen Jugendorganisationen aus Kärnten, die mitgekommen waren, fungierten als echte Brücke der Verständigung, obwohl gerade unter den Jugendlichen in Celje erstaunlich viele deutsch verstanden und auch sprachen.

Dem vielversprechenden Beginn mußten weitere Fühlungnahmen folgen. Bereits am 29. Oktober kam eine kleine Kärntner Delegation nach Nova Gorica. Die Aufnahme und die Aufmerksamkeit, mit der die österreichischen Gäste bedacht wurden, waren auch hier außerordentlich lobenswert. In einer sehr offenen Aussprache konnte man sich darüber einigen, daß es im Sinne solcher neuer Kontakte in Klagenfurt zu einem Gegenbesuch der slowenischen Gäste kommen würde. Dieser Gegenbesuch, der vor kurzer Zeit tatsächlich stattfand, wurde zu einem vollen Erfolg. Sowohl aus Nova Gorica als auch aus Celje hatten sich starke Delegationen von Jugendlichen und älteren Teilnehmern (Juristen, Gemieindefunktionäre,Pädagogen, Volksbildner, Gewerkschafter) eingefunden. Daß man hierzulande solche Begegnungen sehr ernst und wichtig nimmt, bewies die lange Liste prominenter Gäste, die Europahausvorsitzender Abgeordneter a. D. Gottfried Wunder und Direktor Dr. Walter Oberleitner beim gemeinsamen Abendessen begrüßen konnten.

Brücken der Freundschaft

Sowohl der Vizebürgermeister der Stadt Klagenfurt, Walter Flucher, als auch die beiden Landtagspräsidenten Dr. Wolfgang Mayerhofer und Hans Pawlik wußten sich in dem Bestreben eins, daß die Jugend von heute aus der leidvollen Vergangenheit ihrer Väter, die sehr oft gegeneinander standen, einen eigenen Weg in die hellere Zukunft finden möge. Einig zu sein im Glauben an Europas gemeinsame Kultur sei dieser nachrückenden Generation vornehmste Aufgabe.

Das Gespräch wurde angeregt ge führt. Pädagogen taten sich zusammen und besprachen ihre Sorgen. Auch die Juristen sah man in angeregtem Gespräch miteinander. Dieses Europa von morgen — wer weiß heute schon konkret, wie es aus- sehen wird? — wird man nicht von oben herab konstruieren können, es wird vieler menschlicher Brücken bedürfen, ehe es in den Herzen erst als Idee, dann als Reales lebendig wird.

Erfreulich an der Begegnung ist jedenfalls, daß prominente Landespolitiker zur Begrüßung gekommen waren. Obwohl gute Kontakte von der offiziellen Landespolitik her seit einigen Jahren bestehen, darf man doch sagen, daß das Europahaus hier einen neuen Weg geht und daher eine Pioniertat gesetzt hat. Eröffnungen von gemeinsamen Ausstellungen, Empfänge anläßlich der Kulturaustauschveranstaltungen und politische Gespräche sind gewiß notwendig und begrüßenswert, ihnen fehlt aber doch der spontane menschliche Kontakt.

Erfreulich ist auch, daß man über manche Tabus offen reden kann, daß es in vielerlei Hinsicht keine Schönfärberei mehr gibt — weder hüben noch drüben. Die Reserve, mit der man jenseits des blau-weiß-roten Schlagbaumes diesen Bestrebungen noch vor kurzem gegenüber gestanden ist und vielleicht vereinzelt noch steht, ist vielleicht verständlich, werden doch hier keine offenen Türen eingerannt, ist aber unbegründet, da der österreichische Partner das ehrliche Gespräch will, ohne zum Exporteur von Weltanschauungen werden zu wollen.

Der Sonntag war den Gästen für eine Besichtigung der bäuerlichen Volkshochschule Krastowitz und eines neu eröffneten Jugendklubs der Gewerkschaft Vorbehalten. Wenn Bekanntschaften geschlossen und weitere Begegnungen vereinbart wurden, hat das Europahausseminar „Von Mensch zu Mensch — Gespräche, die einen“ seine Zwecke erreicht.

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