Maßnahmen gegen den Tod

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Da ist schon einiges an Lebenszeit verflossen, bis man so richtig realisiert, dass das Geborenwerden den großen Makel des bevorstehenden Sterbens in sich trägt. Dann freilich ist es gerade diese radikale Begrenzung der Lebenszeit, die dem Leben erst Sinn und Perspektive gibt und dazu beiträgt, Kultur zu fördern, mit der allein Individualität zur selbstbewussten Existenz gesteigert werden kann (Volker Gerhardt).

Die Rolle des Todes als Lebenssinnbringer bleibt das einzige Trostargument in diesem angenehm unprätentiösen, sachlichen und lesenswerten Buch, wo jeder der zwölf Vorträge, den die Autoren beim 7. Philosophicum in Lech im Jahre 2003 gehalten haben, einen hochinteressanten Aspekt zum Thema beisteuert. Es geht weniger um den Tod als solchen, über den wir zwangsläufig nichts wissen können, sondern um den Umgang mit ihm, um die mannigfaltigen Strategien, ihn doch irgendwie auszuhebeln.

Wie sehr Menschen von dieser unausweichlichen Lebensgrenze betroffen sind und wie verschieden sie damit umgehen, illustrieren anschaulich Gesprächsprotokolle aus einer Praxis (epikuräischen) Philosophierens (Eugen M. Schulak). Zwischen barocker Todesfeier und der Verdrängung des Sterbens und des Todes liegt ein weites Feld, das Reinhard Brandt umsichtig beackert. Interessant wird es, wo man - jenseits reiner Verdrängung - offensiv versuchte, den Tod zu überleben und sei es bloß im Nachruhm. Solche Ruhmesstrategien waren einfallsreich und vielfältig, sie reichen von den Heroen bis zu den schnell verglühenden Sternschnuppen unserer Glamourwelt. Klaus Thiele-Dohrmann führt sie kurzweilig vor Augen.

Allerdings gibt es auch Handfesteres. Das Überleben sollte in den zahlreichen nach Ewigkeit heischenden Fortlebensutopien, sei es bescheiden mit der Geistseele oder gar - schon anspruchsvoller - mit dem auferstandenen Körper, neuerdings im Klon oder - ein wenig traditioneller - im Erbe (Sigrid Weigel) gelingen. Diese auf einer "metaphysischen Hintergrundstrahlung der Antike" (Natias Neutert) basierenden Strategien zeichnet noch eine gewisse materielle Bodenhaftung aus, die im Navigieren durch den Cyberraum verloren geht, wo das Selbst sich in die netzvermittelte Interaktion auflöst (Marie-Luise Angerer) und so zum Ganzen des Weltgeistes beiträgt. In diesem Hegelisch klingenden und medienphilosophisch gewendeten Posthumanismus tönt am ehesten wohl die in der platonischen Tradition beheimatete Erlösung in der kosmischen Allseele nach. Ob das wirklich den geist-körperhaften Kern in uns zu befriedigen mag, bleibt dahingestellt, die meisten wären doch mit der vorsichtigen Aussicht auf ein glückliches Leben nach dem Tod zufrieden, ein bescheidenes würde genügen, es muss ja gar nicht ein Leben im Prunk ägyptischer Grabbeigaben sein.

In einem vorzüglichen Beitrag handelt Peter Strasser die Frage nach dem Weiterleben nach dem Tod ab, ungeschminkt und prägnant als Frage mit vielen Möglichkeiten und wenig Greifbarem. Trotz aller reichen Phantasie bleibt das beste immer noch, möglichst lange bei guter Gesundheit die irdischen Gefilde zu durchschreiten. Johannes Huber verrät in einem Aufriss medizinischer Forschung zum guten Altern den einen oder anderen Tipp für jene, denen Ruhm zu mühsam, der Unsterblichkeitsglaube zu vage und der Tod schlichtweg ein Gräuel ist.

Ruhm, Tod und Unsterblichkeit

Über den Umgang mit der Endlichkeit

Hg. von Konrad Paul Liessmann

Zsolnay Verlag, Wien 2004

284 Seiten, kart., e 18,40

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