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„Vulcano“ contra „Stromboli“

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In der an Vulkanausbrüchen reichen Geschichte Italiens war kaum einer so heftig und aus dunkelsten Tiefen gespeist wie jener der Darstellerin Anna Magnani, als ihr Regisseur Rosselini die Hauptrolle des geplanten neuen Films „Stromboli und eine ältere Stelle seines Herzens mit Ingrid Bergman umbesetzte. Die Geschichte der Entstehung von Kunstwerken ist bisweilen wunderlich. Wir verdanken Dramen, Epen und Verse von hohem Rang bittersüßen Begegnungen von alten und jungen Dichtern mit jungen und reifen Frauen, dem Selbstmord empfindsamer Jünglinge, dem Anblick von alten Stichen und dem Riechen an faulen Äpfeln. Und wir danken einer Trotz- und Eifersuchtswallung besagter Magnani, die im Bunde mit dem Deutschamerikaner Dieterle Stoff und Besetzung, Regie und Regisseur von „Stromboli niedertrumpfen wollte, einen Film von, hoher Künstlerschaft und herben Reiz: „Vulcano . Die Eile, mit der er des erwähnten Wettlaufs wegen durch- gepeitscht wurde, ist der Gestaltung der Fabel leider anzumerken. Der Magdalena-Stoff, die Ächtung einer nach dunklen Stadt- erlebniissen ins Dorf heimgekehrten Frau und ihre reichlich verwickelte Opfertat für die gleich gefährdete jüngere Schwester, erhebt sich vereinzelt zu biblischer Strenge und Eindringlichkeit — und rutscht dann wieder in die Niederung billigster Dimengloriolisie- rung von der Art der „Sünderin-- ab. Besonders die hektisch vorgetriebenen Begebnisse des letzten Drittels entbehren der letzten Sichtung und Kontrolle und pendeln nervös zwischen echtem und falschem Pathos. Der Höhepunkt wieder, die Konfrontation Magdalenas mit den Frauen des Dorfes vor der Kirchentür, hat lediglich die eminente Ausdruckskumst der Hauptdarstellern aus

zuspielen, nicht aber die todernste Fragestellung in dem hier sehr einseitigen Sprechtext — und gerade hier wäre, tausender Mißverständnisse wegen, Auswägung und Ankerucng, kurz: die berühmte „dritte Dimension’ notwendig gewesen. Sie kommt oft genug von der ausgezeichnet gewählten, kraterzerrissenen, quasi toderfüllten Landschaft — und immer wieder von dem strengen, südländisch dunklen, tiefen Leidens und Erlebens vollen Antlitz der Magnani. Kein Filmstar in herkömmlichem Sinn, keine Hübschheit, auch keine Sexualprotzin wie die namensähnliche Silvana Mangano vom „Bitteren Reis’ — eher eine herbe, reife Tragödin aus klassischen Bühnenzeiten. Ihre deutsche Synchronstimme ist sicher sehr bedacht gewählt worden, sie erinnert an die brüchige Kreide stimme der Garbo in ihrem einzigen deutschen Tonfilm (unter Dieterles Regie): „Anna Christie . Trotzdem spürt man erst in der Gesangszene in der Trattoria, die der Magnani die originale Stimme belassen hat, die eruptive Kraft ihrer Persönlichkeit.

Von den paar hundert Finnen, die ihre Fabel unmittelbar aus Kriegs- und Nachkriegsproblematik holten, zum großen Teil mit altem oder neuem Haß geladen, konnten wir eine erkleckliche Anzahl entbehren — nicht den nüchternen Optimismus des großen amerikanischen Films „Die schönsten Jahre unseres Lebens’, und nicht den edlen Herzenston eines neuen amerikanischen Films: „Sieg über das Dunkel . Er erweitert ein Randproblem des erstgenannten, die Steine am „Weg zurück’ des Kriegskrüppels, hier des Erblindeten, zum Zentralmotiv, vertieft durch eine bittere Liebesenttäusehung und eine heilsame Er-

kenntnis in der „Wertung“ der „weißen“ und „farbigen Menschen“. Ein schöner, nobler, unpathetisch veredelnder Film, der unendlich viel Gutes bringen kann. Denn die schönsten Jahre unseres Lebens sind nicht einfach die des Krieges oder des Friedens, sondern die, in denen die Menschen sich selber finden — als Aufgabe der Schöpfung, als sinnvoll Leidende und sich Freuende, als jene Menschen, wie sie nicht nur die Erde, sondern sogar — unergründliches, beglückendes Geheimnis! — „Gott“ selber „braucht“.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich), Nr. 18/11 vom 30. April 1952: II (für alle zulässig): „Verrücktes Afrika“; III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Der Menschenfresser von Kumaon“, „Sieg über das Dunkel“; IV a (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Vulcano“, „Mörder zu Gast“, „Die Todesinsel“; IVb (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Der Rächer“, „Das verurteilte Dorf“.

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