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Wacht
„Lieb Vaterland, magst ruhig sein ...“, die „Wacht am Brenner“ steht. In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung den Samthandschuh abgelegt, um vor aller Welt zu demonstrieren, daß künftig im Umgang mit den Terroristen „härtere Bandagen“ angelegt werden sollen: . Drei Bataillone Bundesheer wurden an die österreichisch-italienische Grenze geholt.
Darüber zunächst Aufregung bei der Opposition. Sowenig wir immer mitkonnten, wenn die Regierungspartei sich auf die „apolitische“ rechtsstaatliche Position zurückzog, so wenig halten wir nun einen Streit um Paragraphen der Situation angemessen. Die Dinge hat man lange genug treiben lassen, was übrigens genauso zu Lasten der seinerzeitigen Koalitionsregierung wie der späteren „monocoloren“ geht. Nun mußte etwas Spektakuläres geschehen, auch wenn nicht das „heiligste Gut der Nation“, das EWG-Arrangement, angesprochen worden wäre.
Etwas anderes will uns nicht gefallen. Daß in Südtirol Minen explodieren, ist eine ernste Sache. Daß die Bundesregierung gleichsam als „ultimo rotio“ Militär an die Grenze beordert, daß junge Soldaten scharfe Munition fassen und einen Dienst versehen, der von ihnen notfalls den Waffeneinsatz erfordert, ist auch alles andere als harmlos. Aber was wird daraus? Schlagzeilen wie „Deutschmeister bereits in Stellung“ oder „So viele fesche Männer“. Bildreporter schwärmen aus, sie wissen von der wohlwollenden Aufnahme der „Enkeln des Wiener Hausregiments durch die Tiroler Mädchen“ ebenso wie von dem Durst der in höhere Regionen versetzten jungen Soldaten zu berichten. Eine Stimmung kam auf, die den seligen Kaisermanövern angemessener gewesen wäre als dem Einsatz zur Abdichtung der Grenze gegen hin-und herüber wechselnde Terroristen. Wir haben volles Verständnis für unsere Kollegen in den Tageszeitungen im heißen Monat Juli. Dennoch möchten wir bitten: So nicht.
Wirkte schon manches beim Start der Aktion unüberlegt und improvisiert, so war die publizistische Begleitmusik bisher nicht dazu angetan, ihre Seriosität zu unterstützen.
So nicht, liebe Freunde, so nicht! Das „Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit“ in Ehren. Wir treten nicht minder entschieden dafür ein. Aber zwischen der notwendigen Information unserer Mitbürger und der Komposition einer niedlichen Operette „Lustig ist das Soldatenleben“ besteht ein großer Unterschied.
Aber vielleicht liegt die Wurzel für solche „Mißverständnisse“ wirklich tiefer. Wie manchmal, so sagte auch diesmal der spitze Stift eines Karikaturisten mehr als manche Artikel: „Die dumme Berta“, Geschütze mit nach hinten gebogenen Kanonenrohren. Militär mit dem Rücken zur Grenze ist eben ein Kuriosum.
Man hätte es sich ersparen können, wenn vor Jahr und Tag schon harte Entschlossenheit bestanden hätte, zwischen Tiroler Patrioten und rechtsextremen Abenteurern eine klare Scheidung herbeizuführen. Man hätte darauf verzichten können, wenn man nicht im letzten Jahrzehnt unsere Exekutive so weit hätte degenerieren lassen, daß heute das Bundesministerium für Inneres nicht über eine mobile Einsatztruppe verfügt, wie sie selbst zur Zeit des Besatzungsregimes dem Leiter des Innenressorts gut ausgebildet und unter entschlossener Führung zur Verfügung stand.
Hier sind praktische Konsequenzen zu ziehen. Möglichst schnell.
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