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WALTER v. CUBE / BAYER, DEUTSCHER, EUROPÄER

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Die weltpolitische Krisenlage findet jeweils einen eigentümlichen Widerhall in einer österreichischen Krisensituation. Das Tauziehen und Raufen zwischen Ost und West, die Südtirolaktionen, nicht zuletzt die innenpolitische Entwicklung in Österreich selbst lassen gelernte Österreicher heute Ausschau halten: Wo haben wir Freunde in dieser Welt? Freunde, nicht nur Diplomaten und freundliche Schönredner, die bei Kongressen, beim Opernball, bei den Salzburger Festspielen „schön“ mit und über uns reden. Freunde dieser Art hatten wir auch 1933 bis 1938 und lernten sie zum Teil erst nachher kennen.

Naturgemäß wird dabei der gelernte Österreicher, zu deutsch: der österreichische Patriot, nach Freunden in dem stammverwandten Nachbarland, in Deutschland, Ausschau halten. Wir besitzen Freunde auch in der Bundesrepublik: Menschen, die frei sind und Freude am Anderssein des Nachbarn haben. Zu diesen dürfen wir in der heutigen publizistischen Prominenz Walter von Cub e zählen. Von seinen persönlichen Erfahrungen und familiären Beziehungen, wenn man das so nennen darf, über seimn Großvater zu Kaiser Franz ]osef, spricht er selbst in dieser Nummer der „Furche“ zu uns. Über ihn selbst und seine Arbeit und Stellung in Bayern und in der Bundesrepublik Deutschland sollen einige Notizen und Bemerkungen hier Aufschluß geben. Es bildet mitunter ein selbstverschuldetes Mißgeschick Österreichs und von Österreichern, daß wir allzuoft die Beziehungen zu aufrichtigen Freunden unseres Landes vernachlässigt oder zumindest nicht sorgfältig gepflegt, wohl aber uns um die Freundschaft unsicherer Kantonisten beworben haben.

Walter von Cube wurde am 10. Juli 1906 in Stuttgart als Sohn eines Arztes baltischer Herkunft und einer Mutter aus München geboren. Wer die baltische Kultur vor ihrem nicht zuletzt durch Hitler mitverschuldeten Untergang kannte, weiß, wie viele Freunde die geistige und seelische Atmosphäre des alten Österreich im Baltikum besaß. Innere Vornehmheit, Freimut, Maß und Mitte, etwas Melancholie, dazu ein weltoffener Sinn, gebildet in der Konfrontation mit dem zaristischen St. Petersburg, zugleich mit Paris, Berlin und dem Westen: diese kulturelle und seelische Doppellage hat baltische Dichter, Denker, Ärzte, Naturwissenschaftler, Weltenwanderer geprägt.

Cube hat von diesen seinen Vorfahren viel geerbt. Dazu kommt in Statur und 'Erscheinung die bayrische Breite und Vollkraft. Vitalität, Vitalität des Geistes und politische Vitalität haben sein Leben und seinen Weg bestimmt. Nicht um sich zu unterwerfen, sondern um aufrecht, auf beiden Beinen, hell im Kopf und Herzen, dazustehen: das schien diesem Bayern, Deutschen, Europäer als Publizist die schöne und schwere (geliebte Schwere!) Aufgabe eines kämpferischen Lebens als Publizist erstrebenswert zu sein. Der junge Cube erhält seine journalistische Ausbildung am „Berliner Tagblatt“, erwirbt sich seine Sporen ols Feuilletonredakteur, Auslandskorrespondent in der Türkei, in Griechenland und Frankreich. Bis 1933 ist er Mitarbeiter verschiedener großer deutscher Zeitungen, verzichtet dann nach 1936 auf jede journalistische Tätigkeit, lebt zeitweise in Graz, ständig in einem oberbayrischen Dorf. 1940 wird er als Soldat einberufen, 1944 bis 1947 ist er in französischer Kriegsgefangenschaft. Dann beginnt sein steiler Aufstieg zu einem führenden, gefürchteten, umstrittenen und sehr beachteten Publizisten, der in der Bundesrepublik Deutschland für Freiheit nach innen und außen kämpft.

Gestehen wir es offen: Wir besitzen zur Zeit in Österreich nicht seinesgleichen, was zum Teil mit der Unfreiheit in und um unseren Rundfunk mehr als mit dem Mangel an fähigen Persönlichkeiten zusammenhängt. Denn „dieser Cube“ nimmt sich da als Chefkommentator und Chefredakteur des Bayrischen Rundfunks in seinen Kommentaren kein Blatt vor den Mund (1953 erscheinen diese zum Teil in Buchform: „Ich bitte um Widerspruch“). „Dieser Cube“ wäre bei uns längst im Sumpf der Papiere, hinter Vorhängschlössern erstickt, in einer Denunziationskampagne erdrosselt worden. Gerade deshalb wäre es wünschenswert, daß im Blick auf diese deutsche Persönlichkeit die Verantwortlichen in Österreich unsere Misere neu bedenken: Es könnte manches in Österreich besser stehen, nicht zuletzt in einer Entwirrung der Geister, wenn wir Köpfe dieser Art bei uns zum Volk sprechen ließen.

Zurück zu Cube: Seit 1960 tst Walter von Cube stellvertretender Intendant und Programmdirektor des Bayrischen Rundfunks, einer der wichtigsten Institutionen der Meinungsbildung in Deutschland — und, immer noch, trotz vieler Pressionen, ein Hort deutscher Libertät.

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