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Alles oder nichts

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DIE GESELLSCHAFTLICHE EVOLUTION DER MENSCHHEIT. Von Peter B e r r1 a r. Verlag bibllotheea Christian, Bonn am Rhein. 320 Selten, Leinen. DM 28.50.

Der Verfasser sagt es im Vorwort, worum es ihm geht: Um die Deutung des Weltweges als Gottesplan. Als Zeitenwende will die ungeheure Menschheitsumwälzung verstanden sein, die heute in Ihre Krdsis gekommen ist und uns alles oder nichts als Zukunft erahnen läßt. Der Mensch in dieser Zeit weiß sich immer noch dm einem nicht zu begründenden Glaubenswiissen auf das existierende Ziel Gott angelegt. Nur seine Heilsfähigkeit ist durch das Ubergewicht der technischen Fähigkeiten über die nichttechnischen, die zu wenig geübt werden, in echte Gefahr geraten. Die notwendige unfreie Technik bedroht den notwendig freien Menschen. Dieses Buch will mithelfen, „die Zuversicht auf ein absehbares Ende des 'Entwicklungsschubes zu stärken“.

Mutterschaft — Vatertum — Bruderband, diese drei Begriffe stellen in solcher Reihenfolge den Entwicklungsablauf seit Anbeginn dar. Die Menschheit verhält sich zur Welt wie zur Mutter das Kind, und wie dieses in eine Mutterwelt hineingeboren wird um bis zum Ausgang der Kindheit darin zu verbleiben, so blieb auch die Menschheit in ihrer langen vorgeschichtlichen Zeit von der „kreatürlichen Funktionalität“ einer Mutterwelt umfangen, bis diese von der „sozialen Position“ des Vater-tums in geschichtlicher Zeit abgelöst wurde. Auch dies war Schöpfungswille, nicht Folge der größeren Stärke und Überlegenheit des männlichen Menschen. Seit Jahrtausenden auf Autorität dn allen ihren Formen von Recht und Vertrauen, Macht und Leistung beruhend, ist dieses Vatertum dann am Verfall eben dieser Autorität zerbrochen. Wir leben in der sterbenden Vaterwelt, in der die irdischen Väter, die Könige und Herrscher, die Priester, Richter und Lehrer nicht mehr oder nur noch zum Teil sind, was sie scheinen. Wir leben darin nach dem Plane Gottes, der, indem er Christus sandte, sich uns als Bruder zeigte und damit die Weltenstunde der Bruderwelt angekündigt hat, der wir nun entgegengehen, die im Werden begriffen ist

Mit seinem alles bedenkenden, aber auch alles dem großen Gedanken einordnenden Optimismus, gibt sich das Werk als Nachfolge-Char-din-Buch zu erkennen. Dessen Mut, die Dinge beim rechten Namen zu nennen und gerade dadurch Vertrauen zu gewinnen, ist ihm Pate gestanden, und mit Recht stehen wahrhaft erhebende Worte Chardins als Motto dem Werk voran. Wenn die grundsätzlich positive Einstellung zum Weltganzen, die aus jeder Seite des Buches spricht, zuweilen auch den Eindruck entstehen läßt, der Verfasser halte alles, was geschieht, für vernünftig, jede Erscheinung, wie etwa den Pluralismus, schon aus diesem Grunde für notwendig und gut, ja findet fast jede böse Tat als felix culpa, so überzeugt er uns doch selbst noch hier, wo wir ihm wiedersprechen möchten.

Das Buch ist in jenem quellenden, pflanzenhaft wuchernden Stil geschrieben, der seine germanische Abkunft von Fischarts Geschichtsklitterung, aber auch von Shakespeares Welttiefenschau nicht verleugnen kann. Bin Stil, der kein Überspringen erlaubt, weil jede der vielen Satz-Fasern am Sinn-Faden mitträgt. Man wird dann gerne auch die zahlreichen mit Bindestrichen zusammengehaltenen Satz-Wörter sowie die Neubildungen, wie „darzuleihen“, „Privatheit“, „tedlfalsch“ und „tedlwahr“, oder auch sogar „nichtsdestotrotz“ ohne Murren hinnehmen. Dieses Buch darf so sein. Ein reiches Buch und ein großes Werk, geschrieben in jenem Geist der Bruderwelt, den es beschwört.

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