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Der Abschluß eines großen Werkes

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Der Verfasser hat mit diesen zwei Bändchen nicht nur seinen Matthäus-Kommentar, sondern gleichzeitig auch seine Erklärung der Synoptiker — insgesamt 17 Bändchen — abgeschlossen. Nach den überaus berechtigten positiven Beurteilungen brauchen wir die Vorzüge dieses Werkes nicht mehr hervorzuheben. Dillersberger hat seinen Namen und seinen Leserkreis, der sich zweifellos über diesen Abschluß freuen wird und inzwischen schon auf die Johannes-Auslegung wartet.

Die Erklärung nennt sich mit Recht „theologisch, heilsgeschichtiich“ und schließt sich somit der kirchlich-traditionellen Auslegung an, ohne sich jedoch der ausschließlich pneumatischen zu verschreiben und die wissenschaftlich-exegetische Vorarbeit zu vernachlässigen. Im Gegenteil: nur wer die exegetische Literatur kennt, bemerkt immer wieder, daß Dillersberger sich auf gediegene Forschungen und Fachkenntnisse stützt, aber der Laie sieht es — zum Glück — kaum, nur in Ausnahmefällen, wenn historische oder literarkritische Probleme angeschnitten werden, z. B. die Frage, ob das Paschamahl am 13. oder am 14. Nisan gefeiert wurde, ob Judas an dem eucharistischen Mahl teilgenommen hat, ob Josef von Arimathäa zu den Dekaproten gerechnet werden darf, wobei sogar Pickls Buch namentlich angeführt wird, und welche Meinung man sich über das Linnentuch von Turin bilden soll.

Besonders befriedigend ist die sachliche Art, in der die zahlreichen Gleichnisse des Matthäus erklärt werden, denn der Verfasser kennt die Gesetze der Parabel so gut, daß er sich im allgemeinen weder von der in der Vergangenheit so beliebten Allegorese noch von einer zu weitgehenden theologischen „Anwendung“ hinreißen läßt. Nur selten können wir ihm nicht beipflichten, z. B. wenn er in der Parabel der zehn Jungfrauen neben der „Hauptabsicht“ auch noch für fast alle (illustrativen!) Details eine Deutung sucht: daß sie „Jungfrauen“ heißen, daß sie alle schliefen und daß die Klugen von ihrem Oel (der habituellen Gnade!) nichts abgeben wollten (falls sie es konnten). Wenn der Verfasser aber am Ende aus der gleichen Anzahl der klugen und törichten Jungfrauen doch nicht den Schluß zieht, daß auch nur die Hälfte der Menschheit zur Seligkeit gelange, findet er zum Glück sein exegetisches Gleichgewicht wieder, nur wäre es einem Exegeten lieber gewesen, wenn er sich dafür nicht nur auf die nächste Parabel, sondern vor allem auf die Gesetze dieser literarischen Gattung berufen hätte, wie Fonck, Voste, Jülicher u. a. sie dargelegt haben. Mit mehr Befriedigung liest man die Erklärung der Parabel des verfluchten und verdorrten Feigenbaumes, allein wird ein Leser, der den schönen, aber problematischen Roman von Giacometti (Le Figuier Maudit) kennt, in diesem Bändchen vergebens nach der Erklärung des Zusatzes bei Markus (6. 13) suchen: „Es war keine Erntezeit.“ Aber sonst findet er hier den eigentlichen Sinn dieses Gleichnisses ausgezeichnet dargelegt, wie auch der ganze Kommentar das Beispiel einer fast unsichtbaren, aber gediegenen philologischen Sicherheit ist und daneben einer wohltuenden theologischen Schau, die in diesem Grundsatz (Band V, Seite 68) gipfelt: „Alles hängt davon ab, ob man hier ein Gotteswort hat oder nicht.“

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