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Einstieg, in die Fiktion

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DEUTSCHE ROMANTHEORIEN. Herausgegeben und eingeleitet von Reinhold Grimm. Athenäum-Verlag Frankfurt am Main — Bonn 1968, 420 Seiten, DM 26.—. DER EMPFINDSAME ERZAHLER.Untersuchungen an Romananfängen des 18. Jahrhunderts. Von Norbert Miller. Carl-Hanser-Verlag, München 1968, 480 Seiten, DM 36.—.

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DEUTSCHE ROMANTHEORIEN. Herausgegeben und eingeleitet von Reinhold Grimm. Athenäum-Verlag Frankfurt am Main — Bonn 1968, 420 Seiten, DM 26.—. DER EMPFINDSAME ERZAHLER.Untersuchungen an Romananfängen des 18. Jahrhunderts. Von Norbert Miller. Carl-Hanser-Verlag, München 1968, 480 Seiten, DM 36.—.

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Die Kunstform des Romans wird heutzutage von Kritikern und Autoren besonders lebhaft diskutiert und das Schlagwort von der „Krise des Romans“ hört man bis zum Überdruß. Wer aber die Geschichte des Romans auch nur einigermaßen überblickt, weiß, daß sie eine ständige Aufeinanderfolge von „Krisen“ ist. Das liegt im Wesen dieser literarischen Gattung. Schon Herder schrieb: „Keine Gattung der Poesie ist von weiterem Umfang als der Roman; unter allen ist er auch der verschiedensten Bearbeitung

fähig...“ Er steht nicht unter dem Zwange einer bestimmten Form und ermöglicht daher thematisch und stilistisch eine vielfältige Gestaltung als ein wahres Experimentierfeld der Autoren.

Da der deutsche Anteil an der Entwicklung einer Romantheorie oft unterschätzt wird, war es sehr verdienstvoll, ihn an Hand von Beispielen übersichtlich darzulegen. Der Herausgeber des Sammelwerkes, Reinhold Grimm, versucht, „zu dokumentieren, auf welche Weise eine umfassende historische Betrachtung dem Wesen des Romans und einer allgemeinen Romantheorie gerecht werden könne“ Dies geschieht durch eine Reihe von Einzelbeiträgen, die von namhaften Literaturwissenschaftlern — unter ihnen Sengle, Wölfel, Martini und Brinkmann — verfaßt wurden, und die Zeit vom Barock bis um 1950 behandeln. Sie alle haben ein hohes Niveau. Man beschränkte sich mit Recht nicht nur auf die rein theoretischen Äußerungen der Romanautoren, auch aus den Werken selbst wurden Kriterien zur Poetik des Romans abgeleitet. Den Anfang machen ein barocker Roman von Anton Ulrich von Braunschweig und der 1774 veröffentlichte „Versuch über den Roman“ von Friedrich von Blanckenburg. Es folgen dann Friedrich Schlegel, Novalis, Jean Paul, Spielhagen, Raabe, Fontane, Rilke (dessen „Malte Laurids Brigge“ interessante Parallelen zum modernen Roman aufweist), Thomas Mann, Döblin, Kafka, Broch und Musil. Dazu kommen noch mehr allgemein gehaltene Untersuchungen über den Romanbegriff im Deutschland des 19. Jahrhunderts sowie über das Verhältnis der Literatur zur Gesellschaft.

Das Thema von Millers Buch, das die Romananfänge des 18. Jahrhunderts behandelt, scheint auf den ersten Blick sehr begrenzt zu sein. Doch gewährt die auf sehr gründlicher Kenntnis beruhende Untersuchung wichtige Einblicke in die Formigeschichte des Romans und trägt so zu seiner Wesenserhellung bei. Untersucht wird, wie der Verfasser sagt, „das Verhältnis von Erzähler und Leser beim Einstieg in die Welt der Fiktion“. Aus den zahlreichen Möglichkeiten, einen Roman anzufangen, wird das stets gleiche Grundproblem herausgehoben.

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