Globalisierung entzaubert

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Weltkongress katholischer Medienschaffender: Nur von der Kirche sprach niemand.

Oft hat man sich bei vergangenen Kongressen der Katholischen Weltunion der Presse (UCIP), die alle drei Jahre stattfinden, die Haare gerauft: Ein Allerweltsthema! Eine abstrakte Phrasensammlung! Das war beim 19. Weltkongress, der vergangene Woche an die 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen Kontinenten in die malerische Schweizer Stadt Fribourg geführt hatte, nicht der Fall: Zum ersten Mal gab es eine volle Konzentration auf das Generalthema ("Medien und die Herausforderung der Globalisierung"), überwiegend konkrete Referate und bei den Funktionärswahlen eine klare Schwergewichtsverlagerung: Schon im ersten Wahlgang erhielt der brasilianische Kandidat für die UCIP-Präsidentschaft eine Zweidrittelmehrheit.

Bis 1998 waren die Präsidenten der 1927 gegründeten Vereinigung Europäer gewesen, zwei Perioden lang auch der "Styria"-Generaldirektor Hanns Sassmann. Beim Kongress in Paris vor drei Jahren siegte erstmals im zweiten Wahlgang die Kandidatin aus Malaysia knapp über den europäischen Bewerber. Aber die Präsidentschaft von Theresa Ee-Chooi blieb enttäuschend blass, sie kandidierte auch nicht mehr. Diesmal gab es gar keinen Bewerber aus Europa, nur zwei Latein- und einen Nordamerikaner. Klar durchgesetzt hat sich der Kommunikationswissenschafter und Journalist Ismar de Oliveira Soares (57) aus São Paulo.

Auch die meisten Debattenbeiträge kamen aus der so genannten Dritten Welt - schon beim einleitenden Welttreffen junger Journalisten und dann auch beim eigentlichen Kongress und in der Generalversammlung. Man war sich einig: Globalisierung hat viele Aspekte - den politischen, den wirtschaftlichen, den kulturellen, den medialen; und natürlich wurde die Globalisierung des Terrors nicht vergessen. Es gab zahlreiche Sympathie- und Beileidskundgebungen für das Volk der USA und eine ohne Gegenstimmer angenommene Resolution gegen jede Art von Gewaltanwendung. Aber man war sich weitgehend auch einig: Terror ist ein Symptom. Man beseitigt durch bloße Symptombekämpfung nicht die Ursachen. Und zu den Hauptursachen der Frustration von Millionen Menschen zählt die weltweite soziale Ungerechtigkeit, die durch die Globalisierung größer, nicht kleiner geworden ist.

Dafür lieferten viele Debattenbeiträge Beweise. Am weitaus stärksten überzeugte freilich ein Referent, der in der Weltspitze der Globalisierungsgewinner rangiert: Jean-Marie Messier (44), der sich praktisch aus dem Nichts zum zweitgrößten Medienzaren der Welt hinaufgeschlängelt hat. Sein Kommunikationskonzern Vivendi Universal ist in 100 Ländern tätig. Der sympathisch auftretende Franzose, Vater von fünf Kindern, bekennender Christ, ist einer von zwei Europäern, die auch im Aufsichtsrat der New Yorker Börse sitzen. Wie kein anderer las er den unkritischen Globalisierungsfanatikern die Leviten:

Der Zusammenbruch des Kommunismus darf nicht als Sieg eines schrankenlosen Kapitalismus missverstanden werden! Der Westen darf unter keinen Umständen in die Religionskrieg-Falle tappen: Eine Milliade Muslime kann man nicht als Terroristen verdächtigen! Es stimmt: Die Terroristen haben genug Geld für ihre verbrecherischen Aktivitäten, aber der Nährboden für den Terrorismus ist die Armut - hier wachsen die Selbstmordmörder heran, die nichts zu verlieren haben, aber den Himmel zu gewinnen meinen!

Plattes Infotainment

Das kirchliche Gegenstück zu seinen Ausführungen lieferte Bischof Albert Rouet von Poitiers, der auch die Medien schalt, die Todesopfer in den Industriestaaten viel lauter beklagen als Zehntausende, die in der Dritten Welt sterben müssen. Auch er forderte Anerkennung der zivilisatorischen Vielfalt: "Ich als Franzose habe kein Recht, einem Inder oder einem Indianer vorzuschreiben, was er für gut und was für falsch halten muss."

Die unfaire Gewichtsverteilung in Medienberichten kam immer wieder zur Sprache. Der Einseitigkeit des "Infotainment" in westlichen Medien soll durch den Aufbau eines alternativen Informationssystems begegnet werden - in dieser vom UCIP-Kongress einmütig aufgegriffenen Anregung des brasilianischen Professors Plinio de Arruda Samapaio war ein gutes Stück Naivität erkennbar, aber eben auch ein leidenschaftlicher Wille, sich nicht widerstandslos einer westlichen Medienglobalisierung zu unterwerfen. Umso erstaunlicher war, dass ein Aspekt der Globalisierung praktisch unbehandelt blieb: Müsste müsste nicht auch die katholische Kirche dem Streben nach Einheit in Vielfalt anders und einfühlsamer als bisher Rechnung tragen?

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