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DAS WORT GEHÖRT ALLEN
„Europa befindet sich in einer totalen Umbruchsituation. Die Veränderungen betreffen Staat und Gesellschaft, Kultur und Kirche. Das Zauberwort heißt Freiheit.“
Mit diesen Sätzen begann die Kon-vokation zum großen Europasymposium, zu dem sich vor einigen Monaten zahlreiche katholische Verleger, Journalisten und Professoren aus dem Bereich Journalismus in Fribourg, in der Schweiz versammelt hatten.
Alle Länder, die alten und neuen Länder Zentral- und Osteuropas waren vertreten: von Kroatien, Slowenien und der ungarischen Minderheit in Serbien, über Böhmen, Mähren und die Slowakei, über Ungarn, Polen, Rumänien, Bulgarien, die Ukraine und Moskau, bis hin nach Litauen und Estland.
Damit war das, was Generaldirektor Hanns Sassmann in den sechziger Jahren begann - der schwierige und mühsame Aufbau von Solidaritätsaktionen - zu einem Höhepunkt gelangt: Zuerst nach dem Süden hin, bald auch ostwärts und schließlich nach Norden hin. Eine wichtige Etappe auf diesem Weg war 1985 das Europa-Symposium von Ljubljana zum Thema „Die Verantwortung der katholischen Journalisten für Kirche und Europa“.
In Westeuropa war es zunächst in keiner Weise klar, daß der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten in Zentral- und Osteuropa für alle Länder Europas radikale Veränderungen bringen würde. Das schon zitierte Europasymposium, das wir vor einem knappen Jahr in Fribourg durchgeführt haben, sollte mit seinem Thema „Europa im Umbruch - Wege für die Zukunft“ gerade auf diese Realität hinweisen.
Inzwischen ist die Realität des Umbruchs und der radikalen Veränderung so ziemlich allen klar geworden. Doch die Wege für die Zukunft liegen noch weitgehend im Dunkeln.
Ich bin überzeugt, daß das Bau werk, in dem wir uns jetzt befinden, und das technische Wunderwerk, das wir heute bestaunen, zu den Wegen für die Zukunft gehört.
Für den UCIP-Kongreß 1) von Dublin, im Jahre 1983, hat Hanns Sassmann das Thema formuliert: „Das Wort gehört allen.“ Diese vier Worte sind ein klares und mutiges Bekenntnis zu freiem Reden, zu freier journalistischer Tätigkeit und verlegerischem Tun.
Im Gefolge des Zusammenbruchs der sozialistischen Staaten Zentral-und Osteuropas ist auch der Einfluß des in Prag domizilierten kommuni stischen journalistischen Weltverbandes zusammengebrochen.
Dieser Einfluß war zum Beispiel in Afrika so bestimmend, daß es, abgesehen etwa von Senegal, kaum ein Land gab, in dem man von journalistischer und verlegerischer Freiheit sprechen konnte.
300 neue Zeitungen in Afrika
Im Verlaufe der vergangenen zwei Jahre hat sich nun die afrikanische Situation grundsätzlich verändert. Wohl an die 300 neue Zeitungen und Zeitschriften wurden gegründet, darunter auch einige katholische Zeitschriften.
Die von den UCIP-Mitgliedern herausgegebenen Zeitungen und Zeitschriften, die zum Teil jahrelang, ja jahrzehntelang verboten wären - in Rwanda, in Burundi, in Kamerun, in Burkina Faso, in Ghana -, erscheinen jetzt alle wieder. Und ein UCIP-Mit-glied, William Shija, Professor des Journalismus - er hatte 1989 am UCIP-Kongreß in Ruhpolding teilgenommen -, wurde kürzlich Minister für Kommunikation in der Regierung Tanzanias. Das Engagement für die Freiheit, die Freigabe des Wortes an alle, trägt jetzt weltweite Früchte.
Mit dem neuen UCIP-Kongreß, den wir in diesen Tagen und Monaten vorbereiten, haben wir uns wieder auf die Spur der Solidarität zurückbesonnen. Wir haben das Thema formuliert: „Presse, Wege der Solidarität“. Es gehtjetzt nicht mehr-nur-um Solidaritätsaktionen mit den Ländern Zentral-und Osteuropas, sondern um weltweite Solidarität.
Wir sind uns bewußt, daß die Solidarität inzwischen von Papst Johannes Paul II. in den Rang der großen christlichen Tugenden versetzt wurde. Wahrscheinlich wird man sie in Zukunft als fünfte gleich nach den vier Kardinaltugenden -Gerechtigkeit, Klugheit, Mäßigung, Tapferkeit - anführen müssen.
Es dürfte im übrigen hoch interessant sein festzustellen, daß die philosophischen und theologischen Darlegungen des Professors Karol Wojtyla über Solidarität als konkrete Verwirklichung personaler Liebe auf den Ideen von Max Scheier über Solidarität in ähnlicher Weise aufbauen, wie das im 13. Jahrhundert der Professor Thomas von Aquin mit den philosophischen Lehren des Aristoteles gehalten hat.
Die weltweite UCIP-Familie ist also aufgerufen, aus personaler Liebe personale Entscheidungen zu treffen zugunsten von solidarischem Teilen weltweit. Die Früchte, die durch diese Solidaritätsaktionen initiiert werden, kennen wir heute noch genauso wenig, wie man in den sechziger Jahren den Umbruch in Zentral- und Osteuropa voraussehen konnte. Solche Früchte kann man nur erahnen, erhoffen und auf kluge Weise fördern.
Der Autor ist UCIP-Generalsekretär. 1) UCIP (Union Catholique Internationale de la
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