6633436-1956_52_12.jpg
Digital In Arbeit

Sfrawinsky hat gesagt...

Werbung
Werbung
Werbung

Die Oper hat mich immer interessiert, während ich dem Musikdrama keinen Geschmack abgewinne und noch weniger daran glaube. Mussorgsky beispielsweise ist unleugbar ein großer Künstler, aber'während ich Glinka und seine Opern bewundere, sagt mir „Boris.Godu-now“ gar nichts.

Und der Debussy von „Pelleas et Meli-■ sandc“? “■:' •• ■

Noch weniger. Das Müsikdräma kann keine Tradition schaffen, Es ist das totale Fehlen der Form. Und: Kunst ohne Kanon hat für mich keinerlei Interesse. On doit toujours se borner, se donner des limites. Was auch Vorbedingung dafür ist, wirklich frei zu sein; man erlangt die Freiheit nicht, wenn man keine Beschränkungen annimmt, wenn man nicht innerhalb fest bestimmter Grenzen arbeitet, zwischen einem Anfang und einem Ende. Das Vage, Unbestimmte ist verdächtig. Schauen wir etwa selbst auf Verdi. Im „Othello“ und im „Falstaff“, als er sich auf den Weg des Musikdramas begab, hat er sich selbst verloren; welch bewundernswerte Oper dagegen die „Traviata“ und vor allem der „Troubadour“. Kein Wunder; in beiden stützt sich die Schönheit auf eine klare musikalische Architektur.

Das ist der katholischen Auffassung der

Freiheit sehr ähnlich.

Der römisch-katholischen, gewiß. Aber das ist nicht erstaunlich. Ich bin in der tiefen Bewunderung des Katholizismus aufgewachsen, wozu mich sowohl meine geistige Erziehung als auch meine Natur gebracht haben (ich bin viel mehr Abendländer als dem Osten zugehörig). Die orthodoxe Religion, die ich bekenne, steht im übrigen dem Katholizismus nahe genug. Und es wäre nicht zu verwundern, wenn ich eines Tages katholisch würde.

Um zu Ihrer Kunst zurückzukehren, Meister, es ist doch so, daß die Liebe zur Form Ihre Kunst keineswegs hindert, eine ursprüngliche Ausdruckskraft zu besitzen und zu entwickeln?

Natürlich nicht, nur daß der Ausdruck sich nicht selbständig machen, daß er nicht vom Wesen des künstlerischen Schaffensvorgangs getrennt werden kann, daß er eine Folge der guten Kunst ist und ihr nicht etwa vorausgeht. Verfährt man gegenteilig, legt man ihn als primus fest, gelangt man — in gutem oder schlechtem Glauben — dahin, ihn mit der Improvisation zu verwechseln, in der gleichen Weise, wie die meisten Menschen Freiheit mit Leichtfertigkeit verwechseln. Erste Bedingung einer guten Kunst ist immer und vor allem eine gute Machart. — Das Ungenaue ist verdächtig.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung