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Am Beispiel von...

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ICH gestehe jedem Menschen die Sorge um sein personelles Wohl zu — sei es sein physisches oder seelisches. Wo dieses Bestreben jedoch die nicht unwichtige Frage, ob es die Menschen geben soll oder nicht, in die Nähe der negativen Beantwortung rückt, ziehe ich einen Strich. Es hört sich sehr liberal und human an, jeder Frau das „Recht auf ihren Bauch“ einzuräumen. Wenn man jedoch daraus ein Ge-

setz macht, dann gibt man allen den Weg zur Abtreibung frei. Nun hatten wir bereits im vergangenen Jahr — allein schon durch die Pille — einen nicht so erfolglosen kollektiven Volkselbstmord-Versuch: 1975 starben in Österreich mehr Menschen als geboren wurden.

Mag sein, daß wir ein lausiges Geschlecht sind, das es nicht verdient, zu überleben. Ich bin jer doch der Meinung, daß die Men-

schen nicht expressis legis in dieser Ansicht bestärkt werden sollen. Zudem: Manche mögen es nur als ein schönes Märchen ansehen, daß die ersten Menschen nicht durch sich selbst, sondern durch Gott geschaffen worden sind. Oder wie mein kleiner Sohn es einst ausdrückte: „Mit irgendwas muß das Ganze doch angefangen haben.“ So glaube ich, daß man die Entscheidung, ob es die Menschen weitergeben soll, nicht der Laune oder dem Egoismus des einzelnen, sondern dem Totum, Gott, überlassen soll. Irgendwie flößt er mir mehr Vertrauen ein als die Agnostiker. Darüber noch später.

Ihnen verdanken wir jedenfalls derzeit auch die Verwirrung um die Pornographie und die Unfähigkeit, auch hier das Private und Allgemeine auseinanderzuhalten. Was jemand zu Hause, zwischen seinen vier Mauern treibt, ist ganz und gar seine Privatangelegenheit — sofern er damit nicht einem anderen physischen oder

seelischen Schaden zufügt. Anderes ist's mit dem, das publik ist. Und das zu behaupten, ist nicht Muckerei. Der Geschlechtsakt ist nun einmal nicht nur vergnüglich, sondern umschließt auch das ganze Mysterium der Schöpfung und Erneuerung des Lebens. Diesen Akt dem Profitstreben des Verlags- und Filmkommerzes und dem Spleen der Pasolinis zu überlassen, heißt unser Leben im Kern entwichtigen und degradieren — und damit auch uns selbst, als genre humain, den Straßenkötern gleichsetzen. Die Vorläufer unserer heutigen sozialistischen Führer haben mehr G'spür für Menschenwürde als ihre Nachfahren bewiesen, als sie gegen den Unfug der Schlafburschen und für anständige Wohnverhältnisse der Arbeiter eintraten. Sie glaubten sich auch noch im Besitz einer Ethik, welche mit der Religion wetteifern zu können glaubte. So auch in ihrem damaligen Kampf gegen den Paragraphen 144 — unter sozialen Ver-

hältnissen, die ein Dichter beschrieb als:

„... es betet die Mutter:

Sieh, Herr, die Not!

Erbarme dich, Vater,

Und schick mir den Tod!

Eng wird's auch im Grabe sein.

Aber im Grabe

Liegt jedes allein!“ Dieweil in einer'jüngsten Fernsehsendung ein Grazer Soziologe berichtete, daß die in einem Sozialwohnbau neueingewiesenen jungen Ehepaare nahezu ausnahmslos im Besitz eines Autos, nicht aber eines Kindes sind. In einer früheren Sendung hatte der Sprecher des Justizministers kundgetan, daß die Reifheit der Bürger dieses Landes jederlei legales Eingreifen in Fragen der Pornographie unnötig mache. Ich kann solche Reife nur einer Bevölkerungspolitik und Menschen zuerkennen, deren Wunsch, sich und ihre Liebe in Kindern fortzusetzen, dringlicher ist als der nach dem Besitz eines Autos.

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