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„Apocalypse now!"

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Wer mit offenen Augen durch die Welt geht und unsere Gesellschaft betrachtet, müsse erkennen: Die Menschheit steht knapp vor der endgültigen Katastrophe. Soweit Hoimar von Ditfurths Diagnose in seinem Buch „So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen". Es sei kaum damit zu rechnen, daß unsere Enkel erwachsene Menschen werden.

Das ist kräftiger Tobak gleich in der Einleitung: „Darum werden unsere Kinder Zeitgenossen der Katastrophe sein und unsere En-

kel uns verfluchen - soweit sie dazu noch alt genug werden." Der heutige Mensch sei nicht bereit, die unübersehbaren Alarmsignale ernst zu nehmen — einfach lernunwillig.

Und woran werden wir zugrundegehen? Ditfurth nennt die zwei Hauptursachen: den Rüstungswettlauf und die Umweltzerstörung. „In unserer Wirklichkeit schälen sich bei nüchterner Betrachtung ... diese beide Todesursachen heraus, die in einer Art .Idealkonkurrenz' nebeneinanderstehen. Ihr Wirksamwerden ist eine reine Frage der Zeit. Wenn

wir der einen Ursache entgehen sollten, dann nur, weil die andere ihr zuvorgekommen wäre ..."

Sich auf die Verantwortlichen zu verlassen, sei reine Illusion: „Das Erschrecken wird groß sein, wenn den Leuten aufgeht, wie gering das Wissen ist, wie unterentwickelt die Sensibilität und wie groß die Ratlosigkeit derer, von denen sie sich .verantwortlich geführt' glauben.", kennzeichnet Ditfurth nicht unzutreffend unsere Lage.

Was aber tun? Rettende Auswege gäbe es nur, wenn wir erkennen, „daß die Apokalyptischen Reiter, deren Näherkommen uns zu Recht Angst einflößt, kein dämonisches Gesicht tragen, sondern ein durchaus vertrautes: unser eigenes. Was da scheinbar mit der Unaufhaltsamkeit eines unvermeidbaren Schicksals drohend auf uns zukommt, ist nicht Fatum, sondern Folge unseres eigenen Versagens."

Das stimmt sicher auch. Daher nochmals die Frage: Was tun? Spätestens bei der Lektüre der Antworten, die Ditfurth auf diese

Frage gibt, kamen mir Zweifel an der Nützlichkeit seiner dramatischen Warnung vor der drohenden Katastrophe. Denn sein Angebot ist - gelinde gesagt - oberflächlich: einseitige, schrittweise Abrüstung des Westens und radikale, weltweite Geburtenkontrolle als Programm gegen die Bevölkerungsexplosion. Letztere sieht Ditfurth als Wurzel der Umweltproblematik an.

Das alles sei rational einsehbar. Weil wir aber von Tabus geprägt seien, werden wir diese „offenen Türen" in die Zukunft nicht durchschreiten. Endergebnis: Ausweglosigkeit.

Darf man sich darüber wundern, wenn einer nur die Ratio gelten läßt, in der Moral bestenfalls eine Verhaltenssteuerung sieht, die der Arterhaltung dient? Das ist nun einmal zu kurz gegriffen, wenn man ernsthaft Wege in die Zukunft weisen will. Was

nützt der Aufruf zur Eigenverantwortung, wenn gleichzeitig die geistige Dimension des Menschen ausgeblendet wird?

Schon im Analyseteil hätte Ditfurth tiefer schürfen und die geistigen Wurzeln unseres irrationalen Beharrens auf todbringenden Strategien bloßlegen müssen. Menschen können sich nun einmal zwischen Gut und Böse entscheiden. Und sie tun Böses — also Todbringendes — auch wider bessere Einsicht. Keiner von uns ist da ausgenommen.

Wer aber Umkehr predigt, muß dieser Grundbefindlichkeit des Menschen Rechnung tragen. Es geht ja darum, daß wir das Dämonische an unserer Befangenheit erkennen, um uns aus ihr zu lösen. Natürlich geht auch das nur im Vertrauen auf das Wirken Gottes.

Von all dem ist in Ditfurths Buch nicht die Rede. Die Stelle Gottes nimmt die Evolution ein. Aber was sollte man sich von ihr erwarten? „Die Geschichte des Universums wird nicht stehenbleiben, wenn die Menschheit aus ihr verschwindet. Die kosmische

Evolution wird... auch in Zukunft immer neue, immer großartigere Manifestationen des geistigen Prinzips hervorgehen lassen ... Niemand wird das Ausscheiden des Menschen aus der Geschichte auch nur bemerken. Die Zukunft des Kosmos wird auch nicht die Spur einer Erinnerung an uns enthalten."

Und solches schreibt jemand, der sich als Vordenker einer Verständigung von Wissenschaft und Glaube versteht! An welchen Glauben er da wohl denkt? Der Glaube an den Vater Jesu Christi kann es wohl nicht sein. Denn dieser sagt uns schon durch den Propheten Jesaja: „Fürchte dich nicht, ich behüte dich, ich rufe dich bei deinem Namen"

Wer Gott einfach durch Evolution ersetzt, muß letztlich bei der Aussage landen: „Wir werden also sterben..." Wieso Ditfurth am Ende des Buches einen Hauch von Optimismus verbreitet und „ein Apfelbäumchen pflanzt", bleibt unerfindlich. Es ist wohl ein Atavismus — das schönfärberische Finale so vieler hoffnungslos pessimistischer Analysen.

SO LASST UNS DENN EIN APFELBÄUMCHEN PFLANZEN. Von Hoimar v. Ditfurth. Rasch und Röhring Verlag, Hamburg 1985. 432 Seiten, öS 310,50.

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