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Aufstand der Patriarchen
Die Revision des aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammenden Eherechtes ist wohl die wichtigste der drei umstrittenen Abstimmungsvorlagen, mit denen sich die Schweizer Stimmbürger am 22. September auseinanderzusetzen haben. Obwohl alle großen Parteien die Vorlage befürworten, ist sie so wenig unter Dach und Fach wie die beiden anderen Abstimmungsgeschäfte, die Innovationsrisikogarantie des Bundes zugunsten von kleineren und mittleren Unternehmen und die gesamtschweizerische Koordination des Schuljahresbeginns auf den Frühherbst.
„Kein Gesetz kann glückliche Ehen garantieren.“ So beginnt die Schweizer Landesregierung in den Abstimmungserläuterungen die Schilderung der Ausgangslage für ein neues Eherecht, das den Stimmbürgern vorgelegt wird. Das Recht gibt aber der Lebensgemeinschaft von Mann und Frau den festen Rahmen, und es muß für Streitfälle Lösungen vorsehen, die den heutigen Verhältnissen Rechnung tragen, wird das Revisionsvorhaben begründet.
Die Materie ist komplex, auf Einzelheiten einzugehen ist hier nicht möglich. Das neue Gesetz fußt auf dem 1981 gutgeheißenen Gleichheitsartikel der Verfassung, der vom Grundsatz der Gleichwertigkeit der beiden Geschlechter ausgeht.
Auch für die Bestimmungen der Ehe will der Gesetzgeber dem nun Rechnung tragen. Der Satz „Der Ehemann ist das Haupt der Familie“ wird folgerichtig gestrichen, die Aufgabenteilung konsequent dem Ehepaar überlassen. Gleiche Rechte bedeuten aber auch gleiche Verpflichtungen der Ehegatten.
Wichtig sind die neuen güterrechtlichen Bestimmungen, wonach die Frau nun ihr eigenes Vermögen selbst nutzen und verwalten kann. Bei Auflösung der Ehe werden die gemeinsam erzielten Ersparnisse zur Hälfte geteüt.
Im Parlament wurde das neue Gesetz mit deutlichem Mehr verabschiedet. Der „Aufstand der Patriarchen“ kam aber nicht unerwartet, wobei das Referendum schließlich vom Gewerbeverband ausging, der vor allem gegen das Erbrecht Sturm läuft, weil geschäftliche Interessen tangiert werden könnten.
Hauptsächlich wird aber mit Schlagworten gefochten: Der Richter nehme eine dominierende Stellung ein, er werde auch Vermittler und Eheberater. Das neue Eherecht sei familienfeindlich. Das Trennende stehe vor dem Gemeinsamen, je komplizierter die Rechtsvorschriften, desto größer die Gefahr des Streites usw. Die Bürokratie halte nun auch in Ehe und Familie Einzug.
Religiöse Gruppierungen argumentieren zudem, der Mann müsse im Sinne der göttlichen Schöpfungsordnung Haupt der Familie bleiben. Die Frau habe als biblisch verstandene Gehilfin des Mannes die Möglichkeit, ihre weiblichen Gaben zu entfalten.
Die Befürworter mühen sich redlich mit der Betonung der Partnerschaft in geänderten gesellschaftlichen Verhältnissen und Anschauungen. Auch wenn alle großen Parteien das Gesetz befürworten, wäre eine Ablehnung keine Überraschung. Noch ist der Gedanke der Gleichberechtigung nicht überall vorbehaltlos akzeptiert. Man braucht sich nur an Männer-Stammtischen umzuhören ...
Auch die Vorlage, in sämtlichen Kantonen der Schweiz das Schuljahr im Frühherbst beginnen zu lassen und damit der viel geforderten Mobilität weniger Hindernisse in den Weg zu legen, ist — trotz breiter offizieller Befürwortung - noch lange nicht über den Berg. Heute kennen 13 Kantone den Frühjahrs- und 13 den Herbstschulbeginn. Verschiedene Anläufe zu einer freiwilligen Koordination scheiterten.
Beim dritten Abstimmungsgeschäft, der Investitionsrisikogarantie, mit der der Bund technische Neuerungen von kleineren und mittleren Unternehmen fördern und damit Arbeitsplätze sichern will, ist höchst umstritten, wobei hier die Fronten grob zwischen Arbeitgeber- (contra) und Arbeitnehmerinteressen (pro) verlaufen. Die Vorlage beschäftigt vor allem die Wirtschaftspolitiker sehr, das Volk scheint ihr recht gleichgültig gegenüber zu stehen.
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