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Bauern als Landschaftsgartner?

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Droht sind, und die uberdies nicht nur die Umwelt verschmutzen, son­dern auch infolge kaputter infra-struktureller Einrichtunigen nie echt florieren werden, verhindern, sollen einen zielfuhrenden Weg zur Auf-wertung des (noch freien) Landes zeigen, umreiBt Bauernbunddirektor Lanner seine Vorstellungen.

Freilich bringt die politische Fas-sung des „landlichen Raumes“ auch neue Funktionen fur die OVP. Die einstmals standdsch gespaltene, jetzt durch Entmischung und Veranderung der Beschaftigungsstruktur gepragte Gesellschaft wird nicht von einem der drei Bfinde reprasentiert. Die Bfindebrille (soziologisch: Ethnozen-trismus) ist kein Hilfamdttel zum Er-kennen oder gar Begreifen dieses vielschichtigen Phanomens. Ganz im Gegenteil: Der landliche Raum ist ein Integrationsfaktor der OVP; anders gewendet: Bfindekitt.

Nur die „groBen Drei“ gemeinsam konnen die Widerstande, die er-boste, um Macht und Ansehen ffirch-tende Funktionare androhten („Wir werden uns gegen jede Partei, auch gegen die OVP, wenden, die an der Gemeindeautonomie rfittelt“), kanali-sieren und fiberwinden. Es sei denn, man will das Land dem Zufall fiiber-lassen, Partikulardnteressen aus-leben und den Bauern als Land­schaftsgartner oder Perchtenlaufer des ausgehenden Jahrhunderts kon-servieren.

Vor hundert Jahren noch war fur viele die Welt in Ordnung: Bis zu 80 Prozent der Bevolkerunig arbeite-ten in der Landwirtschaft, jeder Bauer lebte in einer Seibstversor-gungswirtschaft, industrielle Bal-lungszentren waren unbekannt oder bestenfalls in Entstehunig, die Luft war gut, Strefi ein Fremdwort. Heute ist das alles anders: Immer groBere Agglomerationszentren fressen sich in das freie Land, die Industrialisie-rung schafft sich ihre Gesellschaft, der „tertiare Sektor“ breitet sich ubermaBig aus, der „primare Sek­tor“, die Landwirtschaft, wird im magischen Jahr 2000 hochstenis noch zehn Prozent der Bevolkerunig er-nahren, die freie Scholle wird 2sum Bauplatz. Der Stadter, ausgelaugt vom unmenschlichen Anbeitstag, ver-langt nach Ruhe, Erholumg und rei-ner Umwelt; der „landliche Raum“ als Quelle der Rekreation ist ge-boren.

Dieser Raum, dem es bei einer Enquete der OVP in Krems „neue Funktionen“ zuzumessen gait, ist nicht mit Landwirtschaft gleichzu-setzen. Ihn wissenschaftlich abzu-.grenzen, ist schwierig, immer mehr verschwirmmt er mit urbanem Ge-biet. So bedient man sich als Ar-beitshypothese gewisser Orientie-rungshilfen: Deflnitionsmerkmale des „landlichen Raumes“ sind die Einwohnerzahl (alle Gemeinden un­ter 5000 Einwohnern gehoren dazu), die Siedlunigs- und Beschaftigungs-struktur und die Bezdehung dieser Faktoren zur Umwelt. Trotzdem ist es vorerst noch leichter, dieses Ge-biet geographisch zu umschreiben.

Von den unigefahr 300.000 land-wirtschaftlichen Betrieben in Oster­reich ist nicht einmal die Halfte in der Lage, von landwirtschaftlichen Einkfinften ailein zu leben. Sie sind auf Nebeneinkunfte, sei es aus Frem-denverkehr, sei es aus Industrie, an-gewiesen. Um ddese Umwalzumgen abzufangen und den Agrargebieten neue AuJgaben zuzuweisen, bedarf es einer genauen und weitschauen-den Planung, einer penitolen Struk-turanalyse und, darauf aufbauend, einer Vielzahl nach Prioritaten ge-ordneter MaBnahmen. Vorbei ist die Zeit, als man mit der Investitions-giefikanne zur Befriedigung partiku-larer Interessen und als Erfolgsnach-weis dorflicher Honoratioren operieren konnte, vorbei vor allem die Zeit, als man derartiges noch reinen Gewissens tun konnte.

Um den komplexen Problemkreis, den man als „landlichen Raum“ be-zeichnet, in den Griff zu bekommen, ist es notig, alle Einzelinitiativen in den grofieren Rahmen einer koordi-nierten Regionalpoldtik zu stellen, die strikte Trennung von Er-hoLungsraumen und Industriezonen durchzusetzen. Aus dem breiten For-derungs- und Ideenkatalog, den die Kremser Taigung vorlegte, stechen einige Punkte besooders hervor. So:

• Die Verbesserurug der Infrastruk-tur durch verstarkten Einsatz offent-licher Mittel einerseits und gezielte Durchfuhrung privatwirtschaftlicher Investitionen anderseits;

• die Schaffung „zentraler Orte“, die, haher differenziert als ihre Um-gebungsgemeinden, ein attraktives Angebot von Bildungseinrichtungen und Dauerarbeitsplatzen haben;

• die Neuongandsation der arzt-lichen Versor.gung, wie uberhaupt des gesamten Spitalwesens;

• die Forderung der regionalen Wirtschaftskraft durch Inivestitionsspritzen fur Industrie, Gewerlbe und Fremdenverkehr;

• die Errichtung von Regdonalver-banden als Kdrperschaften des offentlichen Rechtes, die nach fiiber-einstimmender BeschluBfassunig der beteiligten Gemeinden, also auf frei-williger Basis, zu bilden sind und regionale Planungs- und Entwick-lungsaufgaben zu besongen haben.

Vor allem diese Regionalverbande sollen das (leider) noch immer ge-handhabte System der planlosen Art-siedlung von Industriebetrieben in Gebieten, die von Abwanderung be-

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