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Beängstigende Gegenwart

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Die Integration der Rassen bleibt für Amerika und die Amerikaner ein Traum. Und damit bleibt das Problem Schwarz-Weiß - es bleibt explosiv, eine Belastung, eine Bürde. Dabei stand es um diese Integration vor noch gar nicht allzu vielen Jahren sehr gut. Was ist geschehen, was fUhrte zur Stagnation des entsprechenden Prozesses?

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Die Integration der Rassen bleibt für Amerika und die Amerikaner ein Traum. Und damit bleibt das Problem Schwarz-Weiß - es bleibt explosiv, eine Belastung, eine Bürde. Dabei stand es um diese Integration vor noch gar nicht allzu vielen Jahren sehr gut. Was ist geschehen, was fUhrte zur Stagnation des entsprechenden Prozesses?

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Wirkliche, bedeutende Fortschritte bei der Integration und der Gleichstellung der Farbigen gab es zwischen den vierziger und den mittsiebziger Jahren. Die Ideen etwa eines Martin Luther King konnten langsam, sukzessive verwirklicht werden, die Gleichberechtigung zumindest vor dem Gesetz wurde durchgesetzt. Aber auch das Zusammenleben von Schwarz und Weiß schien sich positiv zu entwickeln. Doch seit Beginn der achtziger Jahre hat sich dieser Prozeß nicht nur verlangsamt - nein: Er ist zum Stillstand gekommen, zum Teil sogar rückläufig.

„In zunehmendem Maße versucht Amerika, alte Identitäten zu bewahren", schreibt der US-Historiker Arthur Schlesinger in seinem neuen Buch „The Disuniting of America", „statt zu einer Nation von Individuen zu verschmelzen, wird Amerika zu einer Gesellschaft von Gruppen, deren ethnischer Charakter mehr oder weniger unvereinbar ist."

Ein unglaubliches Phänomen hat mit dazu beigetragen, daß die angestrebte totale Schwarz-Weiß-Integration fast in ein gegenseitiges Auseinanderleben umgeschlagen ist: Akademische Afro-Fanatiker finden immer mehr Anklang mit ihren Thesen, wonach eine genetische Eigenart dazu geführt hat, daß die Weißen keine Hautpigmente wie die Schwarzen entwickeln können, so daß die Weißen „geringerwertig" sind, und daß die „Mutter der Zivilisation" in Schwarzafrika zu finden ist - die Ägypter seien schließlich schwarz gewesen, die Griechen von den Schwarzafrikanern sehr beeinflußt worden. Diese Thesen finden sogar immer mehr Eingang in Schulbücher von Gemeinden und Regionen, in denen überwiegend Farbige leben.

Natürlich sind auch auf weißer Seite Kräfte am Werk, die der Integration ablehnend, ja feindlich gegenüberstehen. Es wäre töricht und einseitig, das zu übersehen. Einige der neuesten Statistiken widerspiegeln ein beängstigendes Bild der amerikanischen Gegenwart, auch der Situation der Schwarzen:

Der Anteil der Schwarzen im Alter von 20 bis 24 Jahren, die ohne Abschluß die Schule verließen und niemals während der letzten zwölf Monate eine Arbeitsstelle hatten, ist von 15,1 Prozent im Jahre 1974 auf inzwischen über 40 Prozent angestiegen. 1965 kamen 23,6 Prozent aller neugeborenen Schwarzen unehelich zur Welt, heute sind es 61 Prozent, in einigen Großstädten sogar rund 80 Prozent.

Die Wahrscheinlichkeit, daß schwarze Kinder bis zum Alter von 17 Jahren mit beiden Elternpaaren zusammenleben, ist von 52 Prozent (um 1950) auf derzeit etwa sechs Prozent gefallen. Etwa neun Millionen Schwarze - oder: 30 Prozent der gesamten schwarzen Bevölkerung der Vereinigten Staaten - leben derzeit in absoluter, totaler Rassenisolierung, also rein schwarzen Gemeinden oder Großstadtghettos. Damit hat sich seit zehn Jahren so gut wie nichts gebessert - damals traf das auf 34 Prozent der Schwarzen zu, stellt der Soziologe Douglas Massey fest. Eine Statistik der Washingtoner Regierung, wonach mehr und mehr Schwarze in die Stadtkerne ziehen, ist irreführend: Sie läßt außer acht, daß diese Stadtkerne von den Weißen verlassen werden - die ziehen in immer größerer Anzahl in die Vororte oder Nachbargemeinden, um so weit wie möglich von den Schwärzen-Konzentrationen entfernt leben zu können.

Was mit der Feststellung, nach anfänglichen Fortschritten sei die Integration ins Stocken geraten, gemeint ist, verdeutlicht dieses Beispiel: 1968 besuchten 76,6 Prozent der Schwarzen Minoritäten-, also Farbigenschulen. Um 1972 war dieser Anteil auf 63 Prozent gesunken -und steht seitdem bei etwa diesem Prozentsatz.

Obwohl sich inzwischen eine schwarze Mittelklasse gebildet hat, zu der immerhin zwei Drittel aller Farbigen gezählt werden können, bessert sich die Lebensqualität der Weißen schneller: Zwischen 1967 und 1989 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) stieg das Durchschnitts-Jahreseinkommen der Weißen von 30.569 Dollar auf fast-36.000 Dollar, das der Schwarzen aber nur von 18.000 auf 20.200 Dollar. Wo ein Weißer heute einen Dollar verdient, kommt ein Schwarzer auf 59 Cent.

Es gibt einige wenige positive Beispiele. So wählen weiße Mehrheiten in Städten immer häufiger farbige Bürgermeister, so gelten Arbeitsplatz und Militär - im Gegensatz zum Wohnen - als Strukturen der Integration, wo das Schwarz-Weiß-Mitein-ander positiv beurteilt wird. Aber die negativen Aspekte überwiegen bei weitem.

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