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Bescheiden

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Einzig die klösterliche Bescheidenheit des Ergebnisses rechtfertigt aus wirtschaftlicher Sicht die Bezeichnung „Klausur“ für die Beratungen der Regierungspartei letzte Woche. Nach rollenden Belastungswellen, die das einst wirtschaftsfreundliche Image der sozialistischen Regierung

ins Gegenteil kehrten, sollte nun offenbar fünf vor zwölf bei der Wirtschaft wieder Stimmung für die Regierung gemacht werden.

Daß dort die Stimmung auf den Nullpunkt gesunken war, konnte weder verborgen noch auf Dauer ignoriert werden. Während man das Gezeter der Interessensvertretungen -zumindest in der Öffentlichkeit - allenfalls noch als politische Polemik abtun konnte, läßt es sich argumentativ weit schwerer über die (zahlenmäßig dokumentierte) stagnierende Investitionsneigung hinwegturnen.

Außerdem geht es dabei, das weiß man auch in der Regierungspartei, nicht allein um eine plausible Argumentation in der Öffentlichkeit, sondern um die dringend benötigten 30.000 neuen Arbeitsplätze pro Jahr.

Daß die auf der Regierungsklausur beschlossenen Maßnahmen einen Stimmungsumschwung in der Wirtschaft bringen, ist unwahrscheinlich, hat doch keine davon klimaveränderndes Gewicht: Mit einer zersplitterten Zinsenstützungsaktion und als Strukturbereinigung etikettierten Spenden an den verstaatlichten Edelstahlsektor wird man kaum das Zweite Abgabenänderungsgesetz, die Lkw-Steuer und die immer einseitigere Sozialpolitik aus dem Bewußtsein der Unternehmer drängen können.

Auch nicht mit der überfälligen Aufhebung der Investitionssteuer: Ursprünglich als Kompensation für die Steuerausfälle durch die Vorratsent-lastüng anläßlich der Umstellung auf die Mehrwertsteuer eingeführt, hat sie dem Finanzminister bisher netto an die zehn Milliarden an zusätzlichen Einnahmen gebracht.

Wie der Zufall so spielt, fand gleichzeitig mit der Regie-rungsklausur ein Symposium des Wirtschaftsforschungsinstitutes zum Thema „Ist die Arbeitslosigkeit unvermeidlich?“ statt. Und anfangs kam von dort auch die von den Beobachtern erwartete Begleitmusik für die Regierungsklausur: Sozialminister Weissenberg präsentierte bei seinem Auftritt ein Vollbeschäftigungskolossalgemälde.

Manchmal kommt es aber auch anders, als die Regierung denkt (und plant?): In seinem Schlußreferat wies der Leiter des Wirtschaftsforschungsih-stitutes, Professor Hans Seidel, die Weissenbergsche Vollbeschäftigungseuphorie in die Schranken.

Seidel, dem man gelegentlich mangelnde Courage zur Kritik der Regierungspolitik nachsagte, sprach erstmals klar aus, daß die hohe Beschäftigung in Österreich in erster Linie eine „volkswirtschaftliche“ (= beschlossene) und keine betriebswirtschaftliche (= betrieblich notwendige) ist.

Der Unterschied könnte schon bald evident werden: Wenn nach den Wahlen der Druck der öffentlichen Meinung nachläßt.

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