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Das Risiko des Dialogs

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Wer mit Juden, Evangelischen, Kommunisten, Freimaurern einen Dialog führen will, darf dies nicht von hoher Warte nach unten tun, sondern: Argument gegen Argument, Person gegen Person.

Dies setzt eine Anerkennung „gegnerischen“ Gewissens voraus, auch wenn dieses irrt.

Es wurde immer wieder eingewendet, vor allem die Kommunisten meinten es nicht ehrlich, sie wollten gar kein ehrliches Gespräch, sondern nur Propaganda betreiben.

Dieser Einwand trifft überhaupt nicht ins Zentrum der Dialogfrage. Denn zunächst ist zu bedenken, daß man es immer mit Gruppen zu tun hat, die eventuell einen monolithischen Block vortäuschen, die Kommunisten versuchten es bis zum Tod Stalins. Aber es gibt in Wahrheit keine Monolithen, denn die Menschen sind glücklicherweise verschieden und denken auch nicht identisch.

Und so ist damit zu rechnen, daß ein Teil der Gesprächspartner es ehrlich meint, ein Teil nicht, und ein Teil ambivalent reagiert. Die Leute möchten ja gerne ein ehrliches Gespräch führen, haben aber Angst davor, sich wirklich in Frage stellen zu lassen, weil ihre Uberzeugung nicht stabil genug ist.

Es gibt also einen ganzen Fächer zwischen offen-ehrlich und taktisch-unehrlich, wobei es äußerst schwer ist, im einzelnen Fall eine Quantifizierung zu versuchen.

Man muß also riskieren, auch an unehrliche Partner zu kommen. Das gab es aber auch auf „unserer“ Seite. Wurde doch der Dialog von Seiten eines Teils der deutschen „Paulusgesellschaft“ mit den Kommunisten mit dem Ziel geführt, die sozialistischen Vorfeldstaaten von der Sowjetunion zu trennen, was ja auch nicht gerade ein Glanzstück und Ruhmesblatt christlicher Wahrhaftigkeit war.

Das Risiko des Dialogs besteht darin, daß einen der andere von seiner Position überzeugt. Dies ist jedoch selten. Viel öfter führt ein ehrliches Gespräch zu einer Modifikation beider Standpunkte, und zwar in mehr oder weniger intensiver Weise. Dies jedoch vor allem dann, wenn der Dialog der gemeinsamen Wahrheitsfindung dient und nicht politischen Zielen.

Führt man für seinen Teil ein Gespräch rückhaltlos, wirkt man überzeugend und erreicht beim besten Teil der-Partner eine ähnliche Haltung, auch wenn sie zu Anfang nicht vorhanden war.

Die Gutwilligkeit der Partner sollte man immer voraussetzen, auch dann, wenn man sie mit Recht bezweifelt. Man kann dann bekehrend in dem Sinne werden, daß man den andern zu größerer Wahrhaftigkeit bringt.

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