Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
„Der Terror wird nie etwas erreichen...“
In einem Brief an Gustav Husak, den 231 Bürgerrechtskämpfer unterschrieben haben, wird der tschechoslowakische Präsident aufgefordert, sich für die inhaftierten VONS-Mitglieder einzusetzen. Wir veröffentlichen Auszüge aus diesem Brief:
In einem Brief an Gustav Husak, den 231 Bürgerrechtskämpfer unterschrieben haben, wird der tschechoslowakische Präsident aufgefordert, sich für die inhaftierten VONS-Mitglieder einzusetzen. Wir veröffentlichen Auszüge aus diesem Brief:
Herr Präsident!
Vor kurzem wurden wir vor zwei brutale Ereignisse gestellt, über deren Ausrrfaß sich ihre Urheber anscheinend nicht bewußt sind. Alle Mitglieder des Komitees zur Verteidigung zu Unrecht Verfolgter (VONS) wurden Hausdurchsuchungen unterworfen, zehn von ihnen sind in Haft und der Subversion gegen die Republik beschuldigt.
Die bis jetzt noch frei fungierende Sprecherin der Charta 77, Zdena Tominova, wurde nach Einbruch der Dunkelheit im Gang des Hauses, welches sie bewohnt, von einem maskierten Mann überfallen und betäubt. Zu schlimmerem ist es bloß nicht gekommen, weil mehrere Bürger ihren Hilfeschrei hörten und zu Hilfe liefen. Charta 77 würde im Augenblick der Beseitigung von Frau Tominova den letzten fungierenden Sprecher verlieren ... Wir empfinden es als unsere Pflicht, Sie auf diese unerfreulichen Ereignisse aufmerksam zu machen, auf ihren organisierten Ablauf ebenso wie auf die erschreckende Tatsache, daß im Kampf gegen die Charta 77 nicht zum ersten Mal ausgesprochen terroristische Methoden angewendet werden.
Wir ersuchen Sie daher als den höchsten Verfassungsverantwortlichen und Garanten der
Rechtsordnung in unserem Land, daß Sie in den Verlauf der angeführten Ereignisse zugunsten der Gerechtigkeit und nach dem Recht, das Ihrem Amt entspricht, eingreifen. Die Bewegung der Bürgerinitiative Charta 77 entstand, wie wiederholt erklärt, in Ubereinstimmung mit der Verfassung unseres Staates und der internationalen Abkommen, an die sich unser Staat gültig gebunden hat; sie ist durch die Sehnsucht nach menschlicher Würde inspiriert, zum Schutz der bürgerlichen Rechte...
Dasselbe gilt für VONS. Seine Tätigkeit konnte keineswegs die Gesetze verletzen, noch weniger absichtlich und grundsätzlich. Wir kennen keinen humanen Staat, in welchem die proklamierte Forderung, seine Verfassung einzuhalten, als Absicht gilt, seine Ordnung zu zerstören. Wir kennen kein zivilisiertes Land, in dem die bürgerliche Pflicht, unschuldig Verfolgte zu verteidigen, a priori als ein Vergehen bekämpft wird.
Wir empfinden es in diesem Zusammenhang als eine Pflicht, unserer Solidarität mit den Verhafteten einen Ausdruck zu verleihen und weiter zusammen mit ihnen für die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte sowie die Gesetzlichkeit der Bemühungen der Charta 77 und der Arbeit der VONS einzustehen. Es ist eine hoffnungslose Anstrengung, die weltanschaulichen Schattierungen unter den Unterzeichnern der Charta 77 zu deren Unterdrük-kung verwenden zu wollen, denn das gemeinsame, allgemeine und grundsätzliche Prinzip - die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte - bleibt nach wie vor unberührt und wir bestehen weiter auf ihm.
Esist unmöglich, es aus unserer menschlichen, moralischen und rechtlichen Sicherheit auszumerzen, am wenigsten durch Gewalt ...
Es war ein grundsätzlicher Irrtum und nicht zuletzt auch die politische Überlegung, den Dialog mit der Charta 77 über ihre gesetzlich berechtigten Forderungen abzulehnen. Stattdessen wurden sie mit Beschimpfungen und Verleumdungen überschüttet, des Verrates und der Käuflichkeit beschuldigt. Das sind Methoden geistlosesten Journalismus und heute bei uns bereits völlig vergeblich.
Was aber die Anwendung reinen physischen Terrors betrifft, so wird er nie etwas erreichen, unabhängig davon, wer ihn gegen die Verteidiger der Menschenrechte anwenden will. Er wird nur zur Warnung, die alle Bürger in ihrer grundsätzlichsten moralischen und bürgerüchen Einstel-, lung alarmiert, unabhängig von ihrer politischen Orientierung. Wir ersuchen daher um die Freilassung der inhaftierten Mitglieder des VONS und aller Verteidiger der Menschen- und Bürgerrechte ...
Mit Wunsch auf Wiederherstellung des Rechts.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!