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Die Fabrikanten als Bremser

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Bei den Herren brachte die Welt- oup Wertung 1970/71 ein geradezu niederschmetterndes Ergebnis: Mannschaftlich gesehen, fielen die österreichischen Pistenakrobaiten auf den dritten Plaitz hinter Frankreich und der Schweiz zurück, und darüber hinaus mußite der beste Österreicher in dieser wohl korrektesten Bewertung einer ganzen Wintersaison neben dem italienischen Sieger Gustav Thärui, drei Franzosen und zwei Schweizern auch noch den US-Slalomspeziali- sten Tyler Palmer den Vortnitrt lassen. Dieses Prestige- und damit auch Werbedebakel der Aushängeschilder einer Industrie, deren direkter und indirekter Anteil am österreichischen Bruttonationalprodukt auf mehr als zwei Prozent geschätzt wird, konnte auch Annemarie Prölls grandioser Triumph über den „Rest der Welt” in dem puncto Werbewirksamkeit noch nicht völlig emanzipierten Damien- bewerb nur teilweise lindern.

Der Höhepunkt der Krise rief keine Geringeren als Bundeskanzler und Unterrichtsminiist er nach Kiiitz- bühel, wo sich diie Bundesrepräsentanten persönlich von der eindrucksvollen französischen Überlegenheit überzeugen konnten. Zum Unterschied von früheren Schwächeperioden, in denen man auf das dann auch meist eintretende Wunder einer Regeneration hoffte, folgte diesem Lokaiiaugemschein die Tat auf dem Fuß: die Einsetzung einer dreiköpfigen Expertenkommission brachte entgegen jeder österreichischen Tradition kein Verschleppen oder Zerreden der Misere, sondern in überraschend kurzer Zeit ein umfangreiches Elaborat, dessen konstruktive Vorschläge auf den ersten Blick durchaus erfolgversprechend aussehen. Ebenso erfreulich ist (mag man auch darüber beim Verfas- sungsgerichitshof zu Recht die Stirne runzeln) die Tatsache, daß sicih Unterriohtsmiiniister Leopold Gratz nicht hinter der Inkompetenz das Bundes verschanzt, sondern quasi die Patenschaft für den Re- formentwurf und dessen Realisierung übernommen hat.

Das erste dar drei Kernstücke des Konzeptes, zu dem der Minister „voll und ganz steht”, beinhaltet eine Begabtenförderung auf breitester Basis, was in der Praxis auf eine Früherkennung von Skitalenten in den letzten beiden Volksschuljahren hdnausilaufen soll. Bei Ausschiai- dungsrennen können sich dann die Begabtesten unter den Schülern für die nächsthöhere Stufe qualifizieren: den organisatorischen Einbau in den Rennkaider, wobei die „tragischsten

Einflüsse von verschiedenen Seiten” — wie Kommissionsmitglied Wilhelm Anger das Monopol der Skd- produzemten auf die Rennläufer vorsichtig umschrieb — ausgeschaltet werden sollen. Schließlich beabsichtigt die AAR (Austria Alpin Rennsport), dar unter ÖSV-Domiinanz und Bundes- wie auch Kammerpatronanz zu schaffende „Pool der Zukunft”, auch, etwas für die Berufs- übarleitupg der Retmläufer nach Beendigung ihrer aktiven Laufbahn zu tun. Das geplante einjährige Be- rufsf ortb i 1 dungssti pendium scheint jedoch keineswegs eine großzügige „Abfertigung” nach langjährigen Diensten unter den Fittichen des Staates zu sein.

„Kaufmännisch unlogisch”

In der Praxis treten natürlich be reits die ersten Schwierigkeiten auf. Aber die Väter des Konzepts haben vergessen, mit den derzeitigen Patronen der Renniäufer, den Skifabrikaniten, Kontakt aufzunehmen. War die Stellungnahme der Kammer noch als kritisch abwartend zu bezeichnen, tönten aus dem Produzentertlager schon die ersten Unmutsäußerungen: Anton Arnsted- nar sprach vom „Unverstand dieser Leute”, die es wagten, auch nur in Erwägung zu ziehen, daß ein österreichisches Rennas eventuell ausländisches Material verwenden könnte, während für Aloais Rohrmoser „Minister Gratz die Wirklichkeit nicht kennt, wenn er meint, die Fabrikanten können, müssen aber nicht mitarbeiten”. Für den Direktor des Umisatzriesen Fischer, Ernst Simharl, ist gar „das vorgelegte

Konzept wirtschaftlich und kaufmännisch unlogisch”, dafür befürchtet er, daß „diie ganze Reform in den Sog politischer Auseinandersetzungen gerät und nun von der Ministe- rialbürokratie unterwandert wird”. Tatsächlich liegt der größte Pferdefuß das Reformentwurfes in der Bestimmung, daß der Hauptabteilungsleiter für Organisation „eine völlig neutrale Materialbeschaffung” — wie es Wilhelm Anger für die Expertenkommission ausdrückte — vorzunehmen hätte. An eine solche Neutralität glauben weder Rohrmoser — „welcher Funktionär oder Trainer im Verband hat nicht direkt oder indirekt eine subjektivere Einstellung oder Bindung zu dem einen oder anderen Erzeuger” — noch sonstige Kenner der Produzentenkämpfe und Kulissenschiebereien im Ringen um Prestige und damit Marktanteil.

Schließlich bleibt noch die Frage offen, ob absolute Weltklasseläufer wie Karl Schranz oder Annemarie Pröll nicht mit der bisherigen Regelung wesentlich besser gefahren sind bzw. fahren. Es ist wohl völlig auszuschließen, daß die notwendigerweise auf eine Verbreiterung der Spitze ausgerichtete Reform etwa dem Staatsamateur auch nur annähernd das bieten bann, wie beispielsweise der Kufsteiner Knaiissl seinem besten Amateur. Jedenfalls scheint sich die Reformbegeisterung unter den „Etablierten” in Grenzen zu halten.

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