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Die Wunschhste
Das in der vergangenen Woche von der Verkehrspolitischen Tagung der Sozialistischen Partei Österreichs vorgelegte Verkehrspolitische Programm — streng genommen ist es erst ein Entwurf dazu — ist in Teilaspekten sehr exakt formuliert. Ansonsten läßt es aber jene Punkte ausgeklammert, die zur tatsächlichen Realisierung gewisser Vorschläge notwendig wären.
Als Ziel nennt der 63 Seiten starke Programmentwurf die „Errichtung von günstigen Verkehrsverbindungen zum geeigneten Arbeitsplatz, die Errichtung günstiger Verkehrsverbindungen zur Befriedigung des edn-zelnen nach Kommunikation, die Errichtung günstiger Verkehrsverbindungen zur Befriedigung des einzelnen nach Erholung und schließlich die Errichtung eines effizienten Gü-
terverkehrs.“ All diese Wünsche sollen unter dem Motto „Sicherheit — Wirtschaftlichkeit — Leistungsfähigkeit — Schnelligkeit — Verfügbarkeit und Umweltschutz“ verwirklicht werden.
• Bei der Eisenbahn stellt der Programmentwurf fest, daß die Bedienung der Anlagen vielfach noch mit äußerst primitiven Methoden und großem Personalaufwand erfolge. Es fragt sich, wie eine Partei, die wie die SPÖ die Vollbeschäftigung auf ihre Fahnen geheftet hat, diesem Übel abhelfen will. Der ebenfalls völlig überalterte Güterwagenpark muß erneuert und zum Teil ersetzt werden. Auch die Reisewagen sind stark emeuerungsbedürftig.
• Da die Bundesbahnen, wie das
Programm feststellt, nochi lange nicht saniert werden können, müssen umfassende verkehrspolitische Maßnahmen gesetzt werden, um eine echte Gesundung zu erreichen.
Gerade diese Formulierung scheint typisch für den oftmals geradezu in epische Breite abschweifenden Stil, in dem dieser Entwurf verfaßt wurde. Das Aufzeigen konkreter Lösungsmöglichkeiten unterbleibt, es unterbleibt ebenso wie Lösungsvorschläge für die so wichtige Frage der Finanzierung. Ein Programm also — und nichts mehr? Das zu behaupten wäre auch wieder falsch. • Teile des Programmentwurfs bleiben nämlich durchaus auf dem Boden der Realitäten. So etwa die Abschnitte über den Flug-, Schiffsund Rohrleitungsverkehr, deren Arbeitskreisvorsitzende miit AUA-
Direktor Dr. Heschgl, DDSG-Direk-tor Luczensky und ÖMV-Direktor Mezaros auch Fachleute sind, die in der Materie voll integriert sind.
Wenn auch in den Abschnitten Eisenbahn, Straßenverkehr und Verkehr in Ballungsgebieten eine Reihe konkreter Forderungen erhoben werden, so lassen Teile des Programmentwurfs doch jenen Grad an tatsächlicher Realisierungsmöglichkeit vermissen, wie er in den oben genannten vorhanden zu sein scheint. Denn schon langst erhobene Forderungen, wie etwa die Schaffung von mehr Parkplätzen in den Städten, dürften in einem derartigen Programmentwurf, der doch ab Herbst Grundlage der verkehrspolitischen Entscheidungen der Bundesregie-
rung sein soll, keinen Platz haben, wenn sie nicht gleichzeitig die Frage nach den Möglichkeiten für die Verwirklichung und Finanzierung derartiger Projekte beantworten kann.
Verkehrsminister Erwin Frühbauer, seit nunmehr mehr als drei Jahren Ressortchef für Verkehr, scheint das Unbehagen auf Grund der vielen offenen Fragen ebenfalls gespürt zu haben. Er richtete vieles wieder in jenes Lot, in dem es der Realpolitiker sehen muß.
Frühbauer stellt einerseits die Bedeutung des Verkehrs für die gesamte Volkswirtschaft klar heraus, auf der anderen Seite betont er die Notwendigkeit, die individuelle Seite der einzelnen Verkehrssysteme zu beachten: „Es gibt keine für alle denkbaren Fälle, sondern nur das für den gegebenen Fall bestgeeignete Verkehrsmittel.“ Frühbauer stellt klar, daß die Regierungspartei eine wachstumsorientierte Verkehrspolitik verfolge, allerdings unter der Einschränkung, eine sinnvolle Funktionsteilung zwischen allen Verkehrsarten und Verkehrsmitteln zu finden. Auch er rechtfertigt Lenkungsmaßnahmen des Staates am Verkehrsmarkt, denn „moderne Verkehrspolitik müsse heute das Gesamtinteresse vor Augen haben“.
Das verkehrspolitische Programm der SPÖ leidet unter all den Schwierigkeiten, die große, komplexe Materien umfassende Programme immer wieder erleiden werden: der mangelnden Möglichkeit der praktischen Handhabung. Will man diesen Programmentwurf aber nur als Diskussionsgrundlage für weitreichende Konzepte verstanden wissen, dann ist er durchaus geeignet, Ansätze für einen verkehrsgerechten Weg in die nächsten Jahrzehnte zu weisen.
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