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Doping für Bequemlichkeit

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Budgets sind in Zahlen gegossene Regierungsprogramme. An diesem Ausspruch gemessen ist der tiefe Eindruck nicht wegzuwischen, daß die Regierungsprogramme im laufenden und erst .recht im nächsten Jahr im. argen liegen: Rund 46 Milliarden Schilling, wie Finanzminister Androsch nun bekannte, wird das Budgetdefizit im Jahr 1975 ausmachen; mehr als das Sechsfache des Budgetdefizits im Jahr 1970. Und trotz dieses merklich überdrehten „Deficit-spendings“ wird es nicht gelingen, die Winterarbeitslosigkeit 1975/76 unter der 100.000-Grenze zu halten. Darin sind sich Bundeskanzler Kreisky und Vizekanzler Häuser einig. Auf rund 50 Milliarden Schilling schätzen die optimistischen Wahrsager das Budgetdefizit im kommenden Jahr; Realisten nennen eine Zahl von 55 Milliarden Schilling, Pessimisten fürchten gar, daß es nicht gelingen werde, ein Budetdefizit im kommenden Jahr unter der 60-Milliarden-Grenze zu erreichen.

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Budgets sind in Zahlen gegossene Regierungsprogramme. An diesem Ausspruch gemessen ist der tiefe Eindruck nicht wegzuwischen, daß die Regierungsprogramme im laufenden und erst .recht im nächsten Jahr im. argen liegen: Rund 46 Milliarden Schilling, wie Finanzminister Androsch nun bekannte, wird das Budgetdefizit im Jahr 1975 ausmachen; mehr als das Sechsfache des Budgetdefizits im Jahr 1970. Und trotz dieses merklich überdrehten „Deficit-spendings“ wird es nicht gelingen, die Winterarbeitslosigkeit 1975/76 unter der 100.000-Grenze zu halten. Darin sind sich Bundeskanzler Kreisky und Vizekanzler Häuser einig. Auf rund 50 Milliarden Schilling schätzen die optimistischen Wahrsager das Budgetdefizit im kommenden Jahr; Realisten nennen eine Zahl von 55 Milliarden Schilling, Pessimisten fürchten gar, daß es nicht gelingen werde, ein Budetdefizit im kommenden Jahr unter der 60-Milliarden-Grenze zu erreichen.

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Kein Zweifel, Schulden sind gegenwärtig bei den Finanzministern aller Staaten und aller Ebenen (Länder und Gemeinden) Trumpf. Schulden gelten als konjunkturpolitisches Wahlverhalten oder werden jedenfalls von den diversen Regierungen unter diesem Titel verkauft. Zwei Beispiele nur: In der Schweiz wird der Mehrwertsteuersatz wird eine Erhöhung von 16 auf 18 Prozent erfahren, womit Österreich den vierthöchsten Satz in Europa haben wird; der Vermögensteuersatz soll um ein Viertel auf ein Prozent angehoben werden; die Kraftfahrzeugsteuer soll erhöht werden und schließlich will Finanzminister Androsch in den nächsten Jahren die inflationsbedingten Progressionsgewinne aus dem Lohn- und Einkommensteueraufkommen nicht an die Steuerzahler rückerstatten. Österreich liegt mit einer Steuerquote von derzeit rund 38 Prozent im europäischen Spitzenfeld. Schon im nächsten Jahr wird die Steuerquote die 40-Prozent-Schallmauer durchbrechen, eine Erhöhung dieser Steuerquote auf etwa 43 Prozent bis zum Ende der neuen Legislaturperiode Ende 1979 ist durchaus wahrscheinlich. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß den Österreichern unter dem schönen Titel „Sanierung des Staatshaushaltes“ ein starkes Stück mehr an Staatsabhängigkeit verkauft wird. Unter diesem Vorzeichen ist es verständlich, daß sich Bundeskanzler Kreisky in seiner jüngsten Regierungserklärung wenig laute Gedanken über das Ausmaß des Sozialismus in Österreich gemacht hat. Wozu auch? — Genau in diese Richtung läuft die Budgetpolitik der Bundesregierung.

Sie dient jedenfalls auch im kommenden Jahr nicht dazu, die wirtschaftlichen Aktivitäten anzuregen. Diesem Ziel stehen die Steuer- und Tariferhöhungen des Bundes klar im Wege. Erst recht nicht ist das Budgetdefizit des Jahres 1976 darauf angelegt, die triste Finanzlage des Staates zu sanieren. Denn noch immer besteht in der Bundesregierung kein Wille zur Einsicht, eine gezielte, restriktive, an Effizienzkriterien orientierte Ausgabenpolitik zu betreiben. Der Bundeshaushalt wird auch 1976 die größte Inflationsquelle sein. Die Finanzpolitik ist schon jetzt der Versuchung erlegen, vergangene und sich abzeichnende Defizite mit Hilfe der Notenpresse zu decken. Deshalb kann ÖVP-Sprecher Stephan Koren auch ohne großes Risiko voraussagen, daß die Bewältigung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, vor die sich Österreich schon seit einiger Zeit gestellt sieht, in die kommenden Jahre verschoben wird.

Das in Zahlen gegossene Regie-rungsprogram für das Jahr 1976, der Bundesvoranschlag eben, ist vom Grundsatz her falsch und auch gefährlich. Es geht davon aus, daß der Wohlfahrtsstaat Österreich seine Kraft aus dem Wachstum des Staates und nicht, wie es richtig ist, aus der Leistungsfähigkeit der privaten Haushalte und Unternehmen schöpft. Denn ihre Steuerzahlungen sind die Blutzufuhr für jene Energien, mit der der Sozial- und Wohlfahrtsstaat erhalten, resistent gemacht und verbessert wird. Ein Staat, der sich weigert, seine Ausgaben mit der tatsächlichen Leistungskraft seiner Wirtschaft zu synchronisieren, frisiert seine Bilanz. Und genau dies ist nun zu beklagen. Statt die öffentlichen Güter und Leistungen von Wunschvorstellungen auf das Mögliche zurückzuschrauben, hat man den so bequemen Weg von Abgaben-, Steuer- und Tariferhöhungen eingeschlagen, versucht, sich — ohne Rücksichten auf hohe volkswirtschaftliche Verluste — mit mehr oder weniger kurzfristig wirkendem Doping über die Runden zu retten. Heute, fünf Wochen nach den Wahlen, darüber überrascht zu sein, ist allerdings falsch.

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