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Ein Stall fiir den Registerschimmel

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Die Angst vor dem Mißbrauch persönlicher Daten durch Behörden und Private geht um. Tatsächlich ist die Bilanz des österreichischen Datenschutzes ernüchternd: Warum?

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Die Angst vor dem Mißbrauch persönlicher Daten durch Behörden und Private geht um. Tatsächlich ist die Bilanz des österreichischen Datenschutzes ernüchternd: Warum?

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Vom Jahrhundertgesetz aus 1978 ist nicht viel geblieben. Heute, nur fünf Jahre nach dem Nationalratsbeschluß und drei Jahre nach dem Inkraftreten, erwähnt nicht einmal die Regierungserklärung des Kabinetts Sinowatz-Steger den Datenschutz.

Es scheint, daß auch vereinzelte Ambitionen für eine Novelle des mißverstandenen Gesetzes im Sand verlaufen.

Blickt man etwas über die Grenze nach Deutschland, weht dort ein ganz andrer Wind. Kein Tag vergeht, ohne daß die Medien über eine Datenschutzaffäre berichten. Das Bewußtsein ist viel ausgeprägter, ja einige Bundesbürger haben sich sogar zum deutschen Verfassungsgericht begeben und der Volkszählung den Garaus gemacht. Eine Tat, die wohl hierzulande schon denkunmöglich scheint.

Es wird wohl stimmen, daß der Österreicher nach wie vor eine arge Schwäche vor Autoritäten hat, ja vor behördlichen „Erfassungsblättern" versagen ihm gar die Knie.

Dabei wäre Datenschutz ganz leicht. Der Staat verzichtet auf die Formulare und Fragebögen, die — versteht sich — alle ganz diskret behandelt — pardon gehandelt — werden, und beschränkt sich darauf, was d'er Bürger an Daten freiwillig hergibt.

Wir brauchten kein Datenverarbeitungsregister, keinen Datenschutzrat und keine Datenschutzkommission, weil es nichts zu schützen gibt.

Die Wahrheit ist natürlich ganz, anders: weil wir vom Staat immer mehr (Daten) von uns, sonst läuft der Schimmel ganz einfach nicht, der Schimmel ganz einfach nicht. Als Konsumenten staatlicher Dienstleistungen können wir uns um die Abgabe unserer Daten nicht drücken.

Was wir aber tun können, ist folgendes:

• Formulare und Fragebögen nicht widerspruchslos hinnehmen, aber auch mündliche Fragen vor Behörden mit Vorsicht beantworten; gelegentlich auch die Neugierde nicht als gottgegeben und legitim anzusehen, sondern nach dem Grund fragen.

• Sich interessieren, wie lange denn in welcher Form die zur Verfügung gestellten Daten aufbewahrt werden; insbesondere eruieren, ob es vorkommt, daß andere Stellen der Bürokratie informiert werden; manchen um ihre Daten besorgten Mitmenschen geht es wie im Kampf mit der Hydra: kaum daß ein Kopf abgeschlagen, taucht bedrohlich ein neuer auf.

• Sich später interessieren, was mit den eigenen Daten tatsächlich passiert ist; da kann das Datenschutzgesetz helfen, weil es die erforderlichen Rechtsansprüche gebracht hat, das Recht auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung.

Freilich: Wenn ein Datenhalter falsche oder unvollständige Auskünfte gibt, ist auch das Gesetz verloren, weil der Anfrager nur durch Zufall auf die Wahrheit stoßen kann.

Weil aber das Instrumentarium des Gesetzes nicht bloß unbekannt geblieben ist, sondern auch eine schöne Stange Geld kosten kann — die Gebührenverordnungen sind eine Sache für sich —, können sich auch die potentiellen Datensünder beruhigt (vermeintlich) wichtigeren Dingen zuwenden.

So läßt es der Nationalrat seit 1969 an der nötigen Beharrlichkeit mangeln, um die Einlösung seiner Resolution über die Schaffung eines Polizeibefugnisgesetzes zu erreichen.

So lachen Österreichs Juristen immer noch über den Gummiverbrauch im Datenschutzgesetz, wenn es etwa um die Amtshilfe geht oder darum, den Datenhunger diverser öffentlicher Hände zu legitimieren.

Ärger löst dann freilich der erste „Tätigkeits"-Bericht der Datenschutzkommission aus 1982 aus, wenn drei Viertel über fehlende Dienstposten und nichts über aktuelle Fälle und Verbesserungsvorschläge zu lesen ist.

Der Konsument fragt sich, was er mit dem Datenverarbeitungsregister anfangen soll. Dort erfährt man nur, was man schon weiß, nämlich welche Behörden und Firmen einen im Computer gespeichert haben. Das Auskunftsrecht kann man nur mühsam bei einzelnen Datenhaltern ausüben.

Dafür werden bald die ersten Besitzer von Mikrocomputern, die etwa ihre Freunde (und Feinde) in ihrer persönlichen Adreß-datei zusammengefaßt haben — dem modernen Taschenkalender —, über einem Strafbescheid sitzen, weil sie ihren Mikro nicht zum Register angemeldet haben. Anderswo muß man den Besitz einer Schreibmaschine oder von , Büchern melden.

So hat schließlich niemand eine Freude mit dem Datenschutzgesetz. Auch die Wirtschaft nicht, der ständig Mißbrauch von AdrfSsen und andere „Todsünden" vorgeworfen werden. Hat doch jeder die einfache Möglichkeit, das Prospekt zuviel im Papierkorb verschwinden zu lassen.

Den Adreßhandel aber kann man solange nicht lahmlegen, bis die Gewerbeordnung diesen Handel verbietet. Und dafür sehen nicht einmal Gesellschaftsverän-derer einen Anlaß.

Die Wirtschaft aber würde sich klarere Bestimmungen etwa zum internationalen Datenverkehr wünschen und einen Stall für den Registerschimmel.

Der Autor ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Schutz der Privatsphäze

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