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Es gibt ihn doch, den Reingewinn ä

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Sein Bild hängt nicht an ordentlichen Plakatwänden; aber eifrige Verehrer haben den dicken Jüngling auf Kioske, Straßenbahnhäuschen und Fußgeherpassagen geklebt. Wer ist das, der Guru Maharaj Ji — und die erfolgreichste asiatische Sekte, die nun auch in Österreich immer stärker in Erscheinung tritt? Mathias Welp gibt einen Bericht über seinen dreitägigen Besuch bei einer sogenannten Premie-Gemeinde.

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Sein Bild hängt nicht an ordentlichen Plakatwänden; aber eifrige Verehrer haben den dicken Jüngling auf Kioske, Straßenbahnhäuschen und Fußgeherpassagen geklebt. Wer ist das, der Guru Maharaj Ji — und die erfolgreichste asiatische Sekte, die nun auch in Österreich immer stärker in Erscheinung tritt? Mathias Welp gibt einen Bericht über seinen dreitägigen Besuch bei einer sogenannten Premie-Gemeinde.

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Die Schuhe muß ich mir ausziehen. Der mit mystischen Zutaten versehene Tee gibt ein Gefühl von indischem Kulturbewußtsein. Der Ashram (das Wort meint „Schutz“) beherbergt in Spitzenzeiten etwa

sechzig Jugendliche — Ausgeflippte, Gestrauchelte, Ausreißer und Heilige. Sie wollen sich vor sich selbst schützen und vor ihrer Umwelt, sie haben Angst vor dem, was sie kaputtmacht.

Sie kämpfen gerne und lieben Probleme, denn je mehr Probleme gelöst werden wollen, desto mehr geistige Konzentration ist notwendig. Die Botschaft des Friedens, betitelt „Divine Light Mission“, trügt. Sie ist der Motor für ideologische und religiöse Wirrköpfe, die den Boden der Realität verlassen haben. Sie flüchten in blinde Götzenunterwerfung und erfahren ihr „knowledge“ (Wissen), das die Welt vor dem Untergang bewahren soll. Was „knowledge“ genau ist, wird versucht, mit Begriffen wie „Liebe“, „Hoffnung“ oder „Gott“ zu erklären.

Sie verschreiben ihr Leben dem

Guru Maharaj Ji, dem geistigen Träger der Bewegung, einem 15jährigen, aufgeschwemmten, freundlichen indischen Knaben. Für ihn wird in den Ashrams in aller Welt ein luxuriös eingerichtetes Gästezimmer

das Jahr über freigehalten — auch in verschiedenen Hotels. Doch nicht genug der bescheidenen Liebesgaben: Die schwarze Luxuslimousine und der Privatjet des Gurus sind ebenfalls freiwillige Spenden der über vier Millionen Anhänger — aus purer Dankbarkeit.

Ehemalige Marxisten, Revoluzzer jeder Schattierung glauben, zum Guru übergewechselt, nach wie vor für Ideale zu kämpfen, sich dabei nur nicht mehr kaputtzumachen. Während sie tagsüber geregelter Arbeit nachgehen, sei der kreative Teil ihres Gehirns abschaltbar, durch ständige Meditation arbeite nur eine Art Reflexmechanismus. So könne man abends das ausgeruhte Bewußtsein aus der Reserve locken und zum „Satsang“, zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch mit dem „knowledge“, spielen lassen. So

reichten auch drei bis vier Stunden Schlaf am Tag völlig aus; Meditation bewahre vor Müdigkeit, halte wach für die wahren, großen Aufgaben in dieser Welt. Hier ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit besonders groß. Schöngeistige Lippenbekenntnisse helfen nun einmal nicht gegen Mietwucher, gegen Ausbeutung ausländischer Arbeitnehmer, gegen Gettowirtschaft für sogenannte Asoziale. Heilige Floskeln und enthaltsames Mönchsleben sind eben nicht geeignet, für eine dauerhafte Friedensregelung in Indochina und Nahost,

für eine Abrüstung in aller Welt, für eine Resozialisierung Gefangener, für eine sinnvollere Lehrlingsausbildung einzutreten.

Das wollen sie allerdings glauben machen. „Probleme lassen sich durch Konzentration lösen“, liest man in der Guru-internen Zeitung „Goldene Zeit“ und fragt sich, ob die Prediger auch Mut genug hätten, dies einer unter ärmsten Verhältnissen lebenden Gastarbeiterfamilie zu erzählen, die ständig unter Arbeitsplatzverlust und Diskriminierung durch ihre Nachbarn lebt. Man kommt ins Zweifeln. Die „Goldene Zeit“ schreibt weiter: „Krieg entsteht im Mentalbereich der Menschen, und so müssen im Mental der Menschen Schutzmaßnahmen des Friedens errichtet werden. Es fängt alles zuerst innen an, wir müssen also zunächst das Mental kontrollieren.“

Der Leser solcher Zitate soll bewußt von der Ebene praktischer Realitäten in eine verschwommene Traumwelt getrieben werden. Daß Kriege durch klar kalkulierte Macht -und Wirtschaftsinteressen provoziert werden, erschien dem Premie, so nennt sich der Guru-Jünger, als typisch bürgerliches und verheerendes Denkschema der Allgemeinheit.

Unter den Premies ist ein großer Prozentsatz von ehemaligen Drogenabhängigen zu finden. Guru Maharaj Ji befreite von den physischen Krankheitserscheinungen des Drogenkonsums und brachte die psychische Droge in einem. Sie verdrängt,

sie reißt ins Reservat der Apathie, ins Getto des Betrugs an sich selbst und der Umwelt.

Jeder Bewohner eines Ashrams ist verpflichtet, sein gesamtes Monatseinkommen in eine Gemeinschaftskasse zu werfen — „praktischer Sozialismus!“ betont der Ashram-Se-kretär und fügt in einem Atemzug hinzu: „Das ist hier so eine Art gewollte Diktatur. Ich gebe nur Gelder an Premies heraus, wenn ich es für nötig halte.“

Bevormundung, die im Elternhaus gehaßt wird und zu schwersten Zerrüttungen führt, ist unter dem Deckmantel der „Heiligkeit“ höchst erstrebenswert. Mitspracherecht — wohlgemerkt im praktischen Sozialismus — gibt es nicht. Der Ashram-Sekretär entscheidet in allen Fragen des täglichen Lebens, auch darüber, daß jeder Ashram-Bewohner arbei-

ten und Geld erwirtschaften muß. Wer nicht zahlt, fliegt 'raus. Wie man versichert, werden aus der Gemeinschaftskasse gerade die Unkosten für den Ashram gedeckt. Einen Reingewinn für irgend jemanden gebe es nicht. Dieser Irgendjemand heißt Guru Maharaj Ji, und es gibt ihn eben doch, den Reingewinn.

In Form von Liebesgaben werden Flugtickets, Luxuslimousinen, Pri-vatjets veräußert, um der Guru-Bewegung ihre Götzenfigur zu lassen, sie auf das soziale Podest zu hieven, wo sie von aller Welt gesehen werden kann. Nur durch die

Personifizierung dieses Glaubens kann nämlich der Fortbestand der Bewegung und die weitere Gewinnung von Anhängern garantiert werden.

Guru Maharaji Ji lebt geregelt von unregelmäßigen Spenden — aber er kann sich auf sie verlassen. Sie sind Voraussetzung für ein geschicktes und denkbar einfaches System von Gewinnerwirtschaftung: Die Gläubigen dürfen nur weiter glauben, wenn für die Finanzierung ihres Götzen gesorgt ist — daher also die Liebesgaben. Das Moment der Freiwilligkeit deckt sich ja auch so gut mit Idealen. Wer im Ashram lebt, gibt sein Geld hin und bekommt ein Premie-Dasein. Wer sich also zum Premie entscheidet, erkauft sich seine Marionettenhaftigkeit, bezahlt für das erst recht „out“ werden, für das Leben im Abseits.

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