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Eurovirus in Amerika

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Nichtseitdem „D-Day",demTag des Invasionsbeginns im Jahre 1944, hat es so viele Amerikaner nach Europa gezogen wie derzeit. Einer von ihnen, die vom „Eurovirus" be­fallen sind, hat sich gerade in Lon­don niedergelassen: Douglas Ha­milton, 43 Jahre alt und seit seiner Scheidung ganz im Geschäft auf­gehend, nennt sich selbst „Euro-man". „Europa ist zum langen Marsch angetreten", ist der Mann aus Milwaukee, Absolvent der welt­berühmten Harvard Business School, überzeugt. Er spielt damit auf die 1993 beginnende weitere Vereinigung der von den Amerika­nern bewunderten wie gefürchte­ten Europäischen Gemeinschaft an.

Hamilton ist nur einer aus einer ganzen Armee von Amerikanern, die der künftigen Geschäfte wegen ihre Zelte in London, Paris, Brüssel oder Frankfurt aufschlagen. Diese Amerikaner, die von der Bildung eines möglichen Europäischen Staatenbundes mit sicherlich eines Tages einheitlicher Währung pro­fitieren wollen, vertreten entweder US-Firmen oder aber sich selbst und ihre eigene Gesellschaft.

Hamilton ist für letzteren Perso­nenkreis nicht untypisch: In Wis­consin produzierte er Telekommu­nikationsgeräte, verkaufte dieses Unternehmen mit großem Gewinn. Daraufhin etablierte er in Atlanta ein Investment-Unternehmen und nebenbei betrieb er eine Firma in der Schweiz, die Klimaanlagen-Komponenten herstellte. Seine in­ternationalen Geschäftserfahrun­gen kommen ihm nunmehr zugute, was er jetzt vorwiegend und ziel­strebig betreibt: Er berät ameri­kanische Firmen, vor allem solche des Mittelstands, die sich in Europa etablieren wollen, entweder in Form von Beteiligungen an europäischen Firmen oder durch Ankauf eu­ropäischer Unternehmen.

„Wer jetzt nicht das Startloch verläßt", fachsimpelt Hamilton, „verpaßt das Ziel 1993." Erhatsich rechtzeitig in London angesiedelt, um auch noch eine weitere Chance „live" mitzubekommen: Nicht nur der EG-Raum mit seinen 320 Mil­lionen wohlsituierten Bürgern muß US-Unternehmen verheißungsvoll stimmen, mehr noch dürften die Aussichten locken, am Aufbau des sich öffnenden Ostmarktes mit­zuwirken.

Paul Hörne, in Paris ansässiger Europa-Repräsentant des US-In­vestmenthauses Smith Barney, meint: „In diesem heißen Wettbe­werbsmarkt wird jede US-Firma auf der Strecke bleiben, die über keine eigene Europa-Erfahrung oder -Beratung verfügt."

Die meisten Amerikaner sind mit den Europa-Verhältnissen nicht sehr vertraut. Es ist Douglas Ha­miltons Erfahrung, daß sie vor zu großem Engagement zurückschrek-ken. Deshalb offeriert er Invest­ment-Interessierten eine Mischung aus Joint venture und takeover - eine Mischung also aus Part­nerschaft und Ankauf: Hamiltons Investmentfirma Anatar über­nimmt einen bestimmten Prozent­satz des Betrages, mit dem eine US-Firma bei einem Europa-Unterneh­men einsteigen will. „Ist der Laden dann angelaufen und bewährt sich, verkaufen wir von Anatar unseren Anteil an den US-Partner." Hamil­ton nennt dieses Verfahren „Stra­tegie Alliance Buyout System".

US-Unternehmen wie amerika­nische Geschäftsleute haben Schwierigkeiten, sich mit Europas unterschiedlicher Kultur und Ge­sellschaft zu verständigen. Auch hier hilft Hamilton, der einige Unterschiede in der Bemerkung zusammenfaßt. „Im Gegensatz zu den meisten Europäern hat der amerikanische Geschäftsmann Sinn und Geschmack auch fürs Risiko. Europa hat Geld, aber es fehlen ihm Entrepreneure - die alte und die neue Welt sind jetzt dabei, sich zu ergänzen."

Während die US-Ökonomie - so die übereinstimmende Vorhersage in Wall Street - in den neunziger Jahren nur um zwei, höchsten 2,5 Prozent wachsen dürfte (FURCHE 6/90), wird für Lateinamerika ein Wachstum von - immer jährlich -fünf, für Europa zwischen vier und sechs Prozent prophezeit. Die gro­ßen Chancen liegen also zweifels­frei außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika.

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