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Europa und Österreich
Die Arbeit der „Furche“ scheint mir heute wichtiger denn je. Wir Menschen in Westdeutschland sind in der Gefahr einer Art atlantischer Denkweise: mehr und mehr neigen wir dazu, unsere Probleme, Gegenwart und Zukunft, in überseeischer Perspektive zu sehen; damit ist weder Amerika noch Europa gedient. Europa kann sich nur in sich selbst befestigen, wenn es noch befestigt werden kann; es kann sich nur behaupten, wenn es Europa ist. Das aber heißt: es muß sich auf Österreich besinnen. Unsere gegenwärtige geschichtliche Situation — eine Situation fast schon am Rande der Geschichte — ist im wesentlichen dadurch bestimmt, daß die Probleme der Donaumonarchie nicht bewältigt, nicht verstanden oder auf grobe Art mißverstanden wurden. Aber der Quellgrund der Geschicke verlagert sich nicht. Da Österreich die wesentlichen europäischen Probleme umfaßt, so hat es eine unermeßliche Fülle politischer Erfahrung gesammelt, die noch nicht ausgewertet ist und die von dem ihr gemäßen Geisteserbe überhöht wird.
Das Erbe Österreichs kann nicht weit genug ausgebreitet werden: es kann allein den Boden bereiten einer geistigen Bewältigung der bestehenden Not und Gefahr, und nur für eine solche Bewältigung lohnt der Einsatz. Je mehr sie von machtpolitischen Maßnahmen zurückgedrängt wird, um so schwerer wird sie werden. Österreichs Macht ist heute im wesentlichen der Geist, aber auch eine bestimmte Art zu sein, zu leben, zu vermitteln, zu verstehen, die man nur von Österreich erfahren kann, die aber im edelsten Sinne europäisch ist. Sie hat in den führenden Mitarbeitern der „Furche“ überzeugende Vertreter gefunden.
So kann ich nur wünschen, daß die „Furche“ von einer kräftigen Pflugschar nach Westen durchgezogen wird. Mit diesem Wunsche verbindet sich ein ganz persönlicher Dank für eine Fülle von Anregungen, Vermittlungen, Perspektiven; für die eigentümliche Schwingung, die von allem Echten ausgeht, das in Österreich geschrieben, gestaltet wird. Die großen „Gespräche“ zwischen Westen und Osten, Norden und Süden dürfen nicht aufgeschoben werden. Ich glaube, daß sie nur unter der Vermittlung Österreichs begonnen und durchgeführt werden können.
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