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Geschichte als Wegweiser

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„Geschichte schreiben ist schön und ist eine des Menschen würdige Tätigkeit“, äußerte einmal der Senior der österreichischen Historiker, Friedrich von Engel-Janosi. Edgar Traugott, ebenfalls ein Österreicher, seit vielen Jahren Chefredakteur der Nürnberger Zeitung, weiß um die Schönheit dieser des Menschn würdigen Tätigkeit. Als Frucht jahrelangen Reisens zeichnete er Erlebnisse und Begegnungen zwischen West und Ost auf, sie liegen nun unter dem für die Absicht des Brückenschlagens bezeichnenden Titel „Auf der Adamsbrücke“ als Buch vor.

Traugotts Gedanken umkreisten schon immer das Mittelmeer: als „Media terra“ — so der Titel eines früheren Buches von ihm — als die Mutter der Erde, wo sich Atlantik und Asien, Afrika und Europa begegnen, zwischen Bosporus und Gibraltar im Norden christlich, im Süden islamisch umarmt, Spannungspunkt aller weltgeschichtlichen Gegensätze, die sich aus dem gemeinsamen griechischen Ursprung entwickelt haben, ohne daß wir darüber vergessen dürfen, „wie eins diese Welt auch geistig mit ihrem gemeinsamen Alten Testament, dem einen einzigen Gott, seinem Propheten und seiner Heiligen Schrift auf ihrem griechischen Grund ist“.

In allen Gegensätzen immer das Verbindende zu suchen, ist Traugotts Leitmotiv. Immer geht es ihm um die „tausend Fäden hin und her“, die er nach allen Richtungen verfolgt, zwischen Griechenland und Ägypten, zwischen Spanien und Afrika, zwischen Frankreich und seinem einstigen afrikanischen Kolonialreich, zwischen Negritude und französischer Geistesskultur. Die Sahara, Senegal, Guinea, Dahome, Marokko und Tunesien, Ägypten, Syrien und der Libanon, aber auch die Länder am Schwarzen Meer sind Stationen seiner Reisen.

Bei einem Tanz der Geister in Dahome zieht er Verbindungslinien zu den Pongauer Perchten im Salzburger Land, in Beirut erlebt er eine „Schweiz der arabischen Ölscheichs“, ein Tummelfeld moderner Architektur, „wohl kaum ein Zehntel der Häuser älter als ein Menschenalter“. Gegenwärtiges wird jedoch mehr eingeblendet, als daß es im Vordergrund steht. Der historische Blick dominiert. Die Vergangenheit fasziniert. Das Heute wird zur Kulisse, um in die Tiefe der Räume und Jahrtausende zu dringen. Hinter dem Nahen Osten tritt ein viel größerer Osten auf, „vor dem der bipolare Zusammenhang des bisherigen Morgen-und Abendlandes sichtbar und selbstverständlich wird“.

Die erste große indogermanische Reichsgründung durch die Perser am Mittelmeer, die ihr vorausgegangenen Weltreiche am Euphrat und Nil, das byzantinische Kaiserreich, tausend Jahre europäischer Reichsgeschichte — dies alles bedeutet Weltgeschichte am Mittelmeer. Traugott läßt sie lebendig werden als Stück eines neuen europäischen Universalismus, „der uns auch zu der Begegnung mit den großen asiatischen Räumen und ihren noch viel größeren und zusammenhängenderen Traditionen bereit macht“. In den Weiten dieses Raums lernt er die Welt des Buddhismus und des Hinduismus kennen, kommt nach Ceylon, nach Hongkong, in das indische „Universalreich, unter dessen Kuppel alle Gegensätze Raum finden müssen, mit bald tausend Sprachen und mit Tempelstätten, „vor, denen fast alles einschrumpft, was man aus den großen christlichen und islamischen Kultstätten kennt“. In der Schilderung dieser Welten offenbart sich die kunstvolle Sprache, über die Traugott verfügt, sodaß sein Buch nicht nur ein Bildungserlebnis, sondern auch ein ästhetisches Vergnügen gewährt.

Von einem neuen Humanimus in unserer Zeit verlangt Traugott die Selbsteinsicht, „daß es eben nicht allein ihn, sondern auch sein reines Gegenteil gibt — nämlich die Barbarei“. Und man muß schon ein konservativer Europäer vom Rang und Geist eines Carl J. Burckhardt sein, wenn man wie Traugott von der russischen Seite des Schwarzen Meers als behrrschenden Eindruck konstatiert: „Dieses Sowjet-Reich ist noch ein Staat! Jedenfalls keine Bank, von der man immer nur abheben könnte, in die man niemals einlegen müßte.“

AUF DER DAMSBRÜCKE von Edgar Traugott. Diederichs, Düsseldorf, 207 Seiten.

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