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Im Kopf düstere Verwirrung

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Als Prototyp des vorherrschenden medialen Islam- oder überhaupt Orientverständnisses im Westen könnte man die Worte nehmen, mit denen die amerikanische Erfolgsautorin Betty Mahmoody ihren iranischen Ehemann beschreibt: In seinem Kopf saß brillante Intelligenz neben düsterer Verwirrung. Kulturell gesehen war er eine Mischung aus West und Ost.

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Als Prototyp des vorherrschenden medialen Islam- oder überhaupt Orientverständnisses im Westen könnte man die Worte nehmen, mit denen die amerikanische Erfolgsautorin Betty Mahmoody ihren iranischen Ehemann beschreibt: In seinem Kopf saß brillante Intelligenz neben düsterer Verwirrung. Kulturell gesehen war er eine Mischung aus West und Ost.

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Hie die Brillanz und Rationalität des Okzidents, da die Düsternis und Verwirrung des Orients; hie Licht, da Finsternis. Leider ist diese Klischeehaftigkeit nicht einfach über den Atlantik dislozierbar, indem man sie ausschließlich dem einfachen Gemüt einer amerikanischen Hausfrau zuschreibt: In Deutschland wurden mehr Kopien von „Nicht ohne meine Tochter” verkauft als in den USA.

Dieses Buch ist wenigstens leicht zu durchschauen, läßt sich Mahmoody doch zu Unsäglichkeiten hinreißen wie - nur ein Beispiel unter vielen - die Bezeichnung „Farsi-Dissonanzen” für die wohlklingende persische (übrigens indogermanische) Sprache. Dieses Mißverständnis ist leicht erklärt: Da, wie Edward Said in seinem Buch „Orien-talism” schlüssig nachweist, „orientalisch” immer mehr zum Synonym von „arabisch” wird, projizierte wohl die gute alte Betty die für die arabische Sprache typischen larynga-len Laute ins Persische. Und da, wie sie schreibt, jeder Satz noch dazu mit dem islamischen „Insch-Allah” endete (eine völlig unsinnige Schreibweise: in scha'allah wäre eine mögliche korrekte Transkription ohne Hilfszeichen), mußten ihre christlichen Ohren Persisch wohl als Kakophonie empfinden.

Nicht zu überbietender Zynismus

Viel gefährlicher als die Mahmoody sind jene westlichen Journalisten, die, bestimmt oft unbewußt, die Licht-Dunkel Symbolik auf viel subtilere Art und Weise unter die Leute bringen. Ihnen sind in unterschiedlichem Maße von Intelligenz, Berufsethos und nicht zuletzt Erfahrung mit dem islamischen Orient Grenzen gesetzt. Sie würden jede Art von Vorurteil weit von sich weisen: Sie üben sich in Objektivität, versuchen, nie kollektiv zu (ver)urteilen. Aber wenn sie Stellung beziehen gegen Personen oder Erscheinungen, die den Islam betreffen, verfallen sie in genau dieselbe Symbolik.

Feindbilder haben immer nur die anderen. Entsetzt werden negative Äußerungen über den Westen zitiert; Irrationalität, Grausamkeit und Zynismus wird als intrinsekaler Bestandteil moslemischen Despotentums identifiziert.

Umgekehrt hat man bei weitem nicht so gute Ohren, was Äußerungen westlicher Politiker anbelangt. Beispielhaft dafür war die an Zynismus fast nicht zu übertreffende Bemerkung Bill Clintons nach dem Raketenangriff auf Bagdad Anfang Juli, der etliche

Todesopfer unter der Zivilbevölkerung forderte: es sei eben „nicht gesund” (er sprach von Toten!), etwas gegen Amerikaner zu haben. Dieselben Worte aus dem Munde Saddam Husseins im Zusammenhang mit amerikanischen Toten hätten wahre Empörungsstürme ausgelöst.

Es sind natürlich auf beiden Seiten dieselben primitiven Muster, die, seit es Kriege gibt, durch Herabwürdigung des Gegners die Hemmschwelle herabsetzen sollen, ihn gegebenenfalls auch zu töten.

Als besonders grausliche Illustration dafür, daß diese Mechanismen bei uns mindestens genauso gut funktionieren wie anderswo, sei der Ausspruch eines US-amerikanischen Kompaniechefs nach einem Kampfhubschrauberangriff auf irakische Stellungen während des Zweiten Golfkriegs der Presse gegenüber zitiert: „Es war wie beim Truthahnschießen.” Krieg als Jagdsport, Menschen als Tiere. (Anmerkung: Ein Kompaniechef gehört während eines Krieges unzweifelhaft zu den Meinungsmachern.)

Manche Journalisten, die sich so offensichtlich primitive Ausritte nie erlauben würden, weichen, bewußt oder unbewußt, auf scheinbar „objektive” Argumente zur Herabwürdigung des moslemischen Kollektivs oder Individuums aus. Immer wieder zu beobachten ist das Instrument der historischen Delegi-timierung, beispielsweise des arabischen Nationalismus, der gerne als eine Art islamischer Faschismus dargestellt wird (die linken christlich-arabischen Gründerväter läßt man unter den Tisch fallen, die stören das Bild), oder die immer wieder versuchte Gleichsetzung des Islam mit dem islamischen Fundamentalismus.

Ein böses Beispiel sehr persönlicher Delegitimierung war wieder im Zusammenhang mit dem amerikanischen Angriff auf Bagdad zu beobachten. Dabei kam die weit über den Irak hinaus bekannte Malerin Layla al-Attar ums Leben, ein großer Verlust nicht nur für den Irak, sondern auch für die westliche Kunstwelt. Wie half man sich im Westen, um ihren Tod zu rechtfertigen? Ganz einfach: Sie wurde als persönliche Freundin Saddams „identifiziert” und zugleich annulliert, so nach dem Muster: selbst schuld (siehe Clinton).

Mühsam aufgebautes Feindbild

Der Irak ist überhaupt ein Kapitel für sich. Es war für die Medien schwierig genug, Saddam Hussein zu Beginn des Golfkonflikts „umzudrehen”. Er mußte als Feindbild erst mühsam aufgebaut werden, war er doch jahrelang auf der Seite der „Guten” zu finden. Bei diesem Unternehmen (dem großer Erfolg beschieden war) bediente man sich genau . derselben Mittel, die man ein Jahrzehnt vorher für seinen Widerpart Khomeini angewendet hatte. Aber da man den Irakern im Gegensatz zu den Iranern auch im Feld gegenüberstand, war es besonders wichtig, nicht nur ihren Politikern, sondern der ganzen Gesellschaft irre und fanatische - natürlich islamische - Züge zu verleihen. Und das ausgerechnet im einzigen Staat dieser Weltgegend, in dem eine annähernd säkulare Gesellschaftsstruktur gelebte Praxis war - aber solche Details zählen wohl nicht, wenn Meinungsbildung einen bestimmten Zweck

Sufzu: ZUR WIEDERGABE ARABISCHER WÖRTER IN DEN DEUTSCHSPRACHIGEN MEDIEN. Von Gudrun Harrer. Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt 1993. 203 Seiten, zirka öS 460,-.

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