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Keine kapitalistische Folklore

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Der Anfang der Eidgenossenschaft war durch den Sieg über ein österreichisches Ritterheer gekennzeichnet. Wird der österreichischen Neidgenossenschaft ein ähnlicher Sieg über die Spesenritter beschieden sein?

Die Ausgangssituation ist allerdings ein wenig komplizierter. Da mobilisierten zuerst die staatlichen Spesenritter die Neidgenossenschaft gegen die privaten Spesenritter. Aber die Schüsse drohen nun auch nach hinten loszugehen und die staatlichen Spesenritter gleichfalls zu treffen.

Mit anderen Worten: Der Finanzminister möchte das „Unternehmerprivileg“ der steuerlichen Absetzbarkeit von „Geschäftsanbahnungskosten“ — lies Bewirtungsspesen — abschaffen. Dadurch kommt aber auch das steuerliche Politikerprivileg ins Gerede, welches gleichartig motiviert wird, nämlich mit der Notwendigkeit von Repräsentationsausgaben.

Die Initialzündung kam beide Male aus Deutschland. Dort hat Finanzminister Apel bereits vor längerer Zeit einen Versuchsballon gegen die steuerliche Absetzbarkeit der Bewirtungsspesen gestartet, welcher aber sehr schnell platzte. Unter der Hand wird kolportiert, daß diese Maßnahme nicht nur den „Kapitalisten“ — also den Unternehmern und leitenden Angestellten — an den Nerv gegangen sei, sondern auch vielen Genossen bis hinein in die1 Riegen der Jusos welche alle von der steuerlichen Absetzbarkeit von „Repräsentationsspesen“ profitieren.

Darüber hinaus konnte man sich nicht ganz dem Argument verschließen, daß im Exportgeschäft jene indirekte Form der — ha, sagen wir Geneigtmachung —, welche in generöser Gastfreundschaft gegenüber dem Geschäftspartner besteht, ein international so genereller Usus ist, daß sich ein exportintensiver Staat wie die Bundesrepublik den Verzicht darauf einfach nicht leisten könnte.

Im übrigen gehört das Spesenrittertum keineswegs nur zur kapitalistischen Folklore. Gerade in den kommunistischen Staaten wurde es zur äußersten Perfektion gebracht. Dort hat die Spesenaristokratie in jeder Hinsicht die Rolle der früheren Besitzaristokratie übernommen.

Österreichs Finanzminister versucht, geschickter zu sein als Kollege Apel indem er von dem geplanten

Storno der steuerlichen Absetzbarkeit von Repräsentationskosten die Exportbetriebe von vornherein ausnehmen will. Damit würde er gleich zwei Fliegen auf einen Schlag treffen: Er würde die internationalen Usancen aussparen und zugleich die Genossen Spesenritter, beispielsweise in der verstaatlichten Industrie, nicht irritieren, da diese Betriebe doch alle irgendwie Auslandsbeziehungen haben und daher nicht betroffen sind.

Wird aber den Unternehmern die Steuerfreiheit für Repräsentationskosten gestrichen, so müßte konsequenterweise der Repräsentationsaufwand insgesamt genauer unter die Lupe genommen werden — in erster Linie derjenige der öffentlichen Stellen, welche für Empfänge, Bewirtungen usw. einen sehr umfangreichen Aufwand betreiben, und dies nicht nur gegenüber Ausländern. Auch die Tatsache kann nicht ganz übersehen werden, daß die Politiker noch immer ihre halben Bezüge als angebliche Repräsentationsspesen steuerfrei erhalten.

Dieses Problem wurde auch für Österreich — ebenso wie für andere westeuropäische Staaten — zusätzlich aktualisiert durch ein Erkenntnis des deutschen Verfassungsgerichtshofes in Karlsruhe, der nämlich statuierte, daß die Steuerfreiheit für Politikerbezüge — ganz gleich, ob total oder partiell — nicht'verfassungskonform sei. Die Steuerfreiheit sei seinerzeit damit motiviert worden, daß die Politikerbezüge nur einen pauschalierten Spesenersatz darstellen. Sie hätten aber in der Zwischenzeit einen so enormen Anstieg erfahren, daß sie das Ausmaß eines bloßen Spesenersatzes bereits bei weitem überschritten haben. Den unzweifelhaften Charakter eines Gehalts hätten sie aber definitiv mit Einführung einer Politikerpension angenommen, denn eine solche könne nicht vom bloßen Kostenersatz bezahlt werden.

Damit aber werden Argumente in die Diskussion geworfen, an denen auch andere Staaten nicht vorübergehen können. Infolgedessen gerät die Steuerfreiheit der Politikerbezüge — auch die partielle — von zwei Seiten unter Beschuß, nämlich sowohl von der juridischen als auch von der ökonomischen, denn wenn für eine Bevölkerungsgruppe das Steuerprivileg für Repräsentation fällt, so läßt es sich für die andere nicht gut aufrechterhalten. Auch das zweite Politikerprivileg nämlich, daß die Beamten unter ihnen gleichzeitig ihren Politikergehalt als auch ihren Beamtengehalt beziehen, obwohl sie von ihrem eigentlichen Arbeitsplatz beurlaubt sind — gerät in diesem Zusammenhang natürlich ins Gerede.

Sowohl wenn es um die Bewirtungsspesen in der Wirtschaft als auch wenn es um die Politikerbezüge geht, ist immer sehr schnell das Wort von der Neidgenossenschaft bei der Hand. Auch Kreisky gebrauchte es, als er seinerzeit zwar die Hälfte der Politikerbezüge besteuern ließ, diese aber gleichzeitig so auffettete daß die Nettoeinkommen der Politiker nachher höher waren als zuvor.

Nun ist es aber eine merkwürdige Sache mit der Neidgenossenschaft, und in diesem Punkte reagieren alle Gruppen und Parteien gleich. Jede Entprivilegisierung und Nivellierung, die andere trifft, ist ein unverzichtbarer Akt sozialer Gerechtigkeit; sobald sie aber selbst davon betroffen sind, ist das Ganze nur ein übler Fall schäbigster Neidgenossenschaft. Jeder Interessensvertreter, der auf sich hält, trägt zwei Maßstäbe spazieren, welche er je nach Bedarf anlegt.

Sicherlich können alle betroffenen Gruppen gewichtige Argumente zugunsten der Steuerfreiheit des Repräsentationsaufwands vorbringen. Man kann aber doch nicht ganz übersehen, daß damit auch viel Mißbrauch betrieben wird und eine Revision durchaus am Platz wäre — freilich nicht, ohne auch den öffentlichen Repräsentationsaufwand zur Diskussion zu stellen.

AUGUST DOBBELING

Schrumpf woche

Im Anfang war die Siebentagewoche.

Nach vielen tausend 1 Jahren fanden -ich Fortschrittliche und Gläubige als Bundesgenossen im Kampf um die Sonntagsruhe.

Sie siegten. Wir hatten die Sechstagewoche.

Und alsbald begann der Samstag abzubröckeln. Der Begriff „Wochenende“ kam in die Welt. Der Samstag-Nachmittag war schon kein Werktag-Nachmittag mehr und warf allmählich seinen Freizeitschatten auf den Samstag-Vormittag.

Bald kämpfte man um die Fünftagewoche. Und man siegte.

Kaum war jedoch der Samstag ein Zwilling des Sonntags geworden, wurde der Freitag so, wie bis vor kurzem der Samstag gewesen ist. Schon bröckelt der Freitag-Nachmittag ab. Nach Tisch ist am Freitag nicht mehr viel an funktionierenden Institutionen vorauszusetzen.

Und bald werden wir die Viertagewoche haben. Da alles so früh erlischt, wird es nicht recht der Mühe wert sein, mit dem Freitag ernsthaft anzufangen.

Dagegen ist wenig zu sagen. (Unter anderem deshalb, weil es weltfremd und hoffnungslos wäre, etwas dagegen zu sagen.) Aber ein formaler Vorschlag scheint uns angebracht:

Der Freitag ist nicht mshr zu retten. Das Drillingswochenende ist nur noch eine Frage der Zeit. Doch man sollte den Donnerstag besser nicht antasten, zunächst vorläufig. Der Sonntag, an seiner Vorderseite so üppig mit Neo-Sonntäglichkeit gepolstert, sollte auch an seiner Rückseite nicht so brüsk an die Reste der Werktäglichkeit grenzen.

Sobald die Viertagewoche zu wanken beginnt und das Vierlingswochenende naht, wäre aus Gründen der Symmetrie der Montag als Arbeitstag zu unterminieren, nicht vom Nachmittag auf den Vormittag übergreifend, sondern diesmal von einem arbeitsfreien Vormittag in den Nachmittag hinein wirkend, so lange, bis mgh-'so spät anfängt, daß es nicht recht der Mühe wert ist, mit dem Montag -überhaupt ernsthaft anzufangen. Und das Wochenende wäre länger als die Arbeitswoche.

Dann erst käme der Donnerstag an die Reihe und würde, vom Nachmittag allmählich in den Vormittag hinein abbröckeln, zum Fünfling.

Und dann kommt bald die Zeit für das Mittwochwochenende.

Schließlich wird als letzte Station auf dem Weg zur Nulltagewoche der Dienstag, wie schon sein Name sagt, der einzige Diensttag sein.

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