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Kultur des Friedens

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Unkonventionelle Gedanken zum Thema Friedenskultur aus dem Verteidigungsmi­nisterium: Welche Heraus­forderung stellt die neue internationale Konstellation für uns alle dar?

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Unkonventionelle Gedanken zum Thema Friedenskultur aus dem Verteidigungsmi­nisterium: Welche Heraus­forderung stellt die neue internationale Konstellation für uns alle dar?

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Der „Umbau" der autoritären Herrschaftsstrukturen in Osteuropa stellt auch in Westeuro­pa autoritäre Strukturen in Frage: Militär und Polizei kommen ins Gerede. Daß die Führungsstruktu­ren in den Wirtschaftsbetrieben und deren Verkaufstechniken gewalt­tätig und gewaltverursachend sind, wird wenig beachtet - wir sind ja Nutznießer des Systems. Zwar gibt diese Tatsache der Freiheitsliebe und dem Verantwortungsgefühl der Menschen ein neues Betätigungs­feld, erspart der Gesellschaft aber nicht die Auseinandersetzung mit den alten Machtträgern.

Medikamente stehen bis zu ihrer heilbringenden Verwendung im Giftschrank - Militär wird solange und so weit "als ein Aspekt der Kriegskultur betrachtet, bis es sich als Träger der Friedenskultur dar­stellt. Mit dem Schwinden der Machtstruktur in der Sowjetunion schwindet auch das Bedrohungs­gefühl und damit die bisherige Möglichkeit, die Friedensaufgabe des Militärs in Westeuropa in seiner Prellbockfunktion zu sehen.

Neben der bloßen Existenz des Bundesheeres wird die geistige Landesverteidigung nicht mehr wie bisher als reine Werbeaktivität für militärische Landesverteidigung betrachtet werden dürfen, sondern als sicherheitspolitische Aufgabe -als Beitrag zur Friedenskultur.

Bewegungen gehen auf ein Ziel zu, auf die Lösung eines Problems. Die aus den Bewegungen entstan­denen Institutionen haben häufig mehr Interesse an der Ursache ih­rer Existenz, die Institution be­kommt Bedarf nach Eigenexistenz. Dies gilt auch für die Verteidigungs-funktion: Wenn sie sich in einer Armee institutionalisiert, scheint diese an der Gefahr mehr Interesse zu haben als an ihrer Verhinde­rung. Erstaunlicherweise gilt glei­ches auch für eine institutionali­sierte Wirtschaft: über den Umweg der Bedarfsweckung geht sie den Weg von der Bedarfsdeckung bis zur Mangelerzeugung.

Militärische Apparate, denen man mit Recht Gewaltfähigkeit vorwirft, müssen sich geistig so rege halten, daß sie Entwicklungen, die zum Gewaltbedarf führen, denunzieren: dann erfüllt das Militär seine si­cherheitspolitische Aufgabe im Sinn der Friedenskultur und ge­winnt neben dem Dasein als Instru­ment der Gewalt eine wichtige gesellschaftliche Funktion.

Der gesellschaftliche Druck auf das Bundesheer hat es zu dem gemacht, was es ist: ein defensiv strukturiertes und über die Wehr­pflicht stark gesellschaftsabhängi­ges Heer. Der Geist seiner Reprä­sentanten und Akteure hinkt aber deutlich hinter dieser Entwicklung nach. In der Ökonomie ist sowohl Geist als auch Ausprägung auf der „ Gewaltstufe". Im Bundesheer muß sich nur der Geist an die äußere Form, nämlich die Defensivstruk­tur, anpassen. Eine Gesellschaft, die Frieden will, muß sowohl die Struktur und den Geist der Ökono­mie erst friedensverträglich ma­chen. Im Zweiten. Weltkrieg woll­ten Deutschland und Japan ihre wirtschaftlichen Probleme mit Hil­fe des Militärs zu Lasten anderer Völker lösen; heute lösen wir unse­re Probleme mit Hilfe der Wirt­schaft zu Lasten zukünftiger Gene­rationen.

Militär ist immer das Resultat gesellschaftlicher Wünsche und Ängste: Zum einen ist es Symptom des Wunsches nach Macht oder Gewalt, zum anderen der Versuch, Gewalt abzuwenden. Die einen fürchten die Gewalt von außen (Verteidigungsidee), die anderen lehnen die Macht an sich ab und damit das Militär.

Das Militär selbst hat natürlich Freude an seiner eigenen Macht, hin und wieder auch an Gewalt. Grundsätzlich scheint zu gelten, daß auf Macht aufgebaute Institutio­nen nach mehr Macht streben und daß Macht auch zur Anwendung drängt. Weder blinder Glauben an die Macht noch blindwütige Ab­lehnung vermögen das Problem zu lösen, sondern nur sensibler Um­gang. Im österreichischen Bundes­heer ärgert zwar die eigene Ohn­macht; Gewaltbedürfnisse sind wohl eher selten. Leider halten sich Bundesheer und Gesellschaft ge­genseitig für blöd, was die Kommu­nikation zwischen beiden behin­dert; weniger Mißtrauen würde einen Abbau unnötiger Reibungs­verluste bringen, was der Gesell­schaft Belastungen und dem Heer Frustrationen ersparen würde.

Da sich die Wirkung der Abhal­tung niemals beweisen läßt, ist ein Defensivheer auf die Erbringung von Nebenleistungen angewiesen, wenn es Effizienz beweisen will. Sensibilität für umfassende Sicher­heitsprobleme und hohe Fachkom­petenz bei Krisenvermeidung sind, wichtige Nebenleistungen, die es zu erbringen gilt. Könnte das Bun­desheer diese geistigen Aufgaben erfüllen, ließe sich ein Bonus an Glaubwürdigkeit anlegen, der eine höhere Akzeptanz des Militärischen schaffen könnte. Im übrigen wird die Fortsetzung der bisherigen Wirtschaftspolitik Gewalt sowieso wieder notwendig machen, weil der aggressive Weltverbrauch notwen­digerweise auch zu Gewalt unter Menschen führt. So wie der Arzt nicht bloß Krankheiten heilen soll­te, sondern auch Berater für Ge­sunderhaltung sein sollte, so könn­te der Führungsoffizier Experte in Friedenskultur sein.

Der Autor ist Mitarbeiter am Institut für Mili­tärische Sicherheitspolitik an der Landesvertei-digungsakademie in Wien.

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