Metaller-Lohnrunde: Utopien überdenken
Die Lohnverhandlungen in der Metallindustrie sind mehr als eine ökonomische Variable. Sie umfassen eine sozialethische Ebene. Über Fairness, Verantwortung und den Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.
Die Lohnverhandlungen in der Metallindustrie sind mehr als eine ökonomische Variable. Sie umfassen eine sozialethische Ebene. Über Fairness, Verantwortung und den Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält.
Was wäre, wenn – Großunternehmen sowie Landesbetriebe auf die Boni für ihre Manager verzichteten? Was wäre, wenn – Banken ihre Rekordgewinne an ihre Kunden weitergäben, etwa Geringverdienern die Kontoführungsgebühren erließen, Familien, die ihren Kredit nicht mehr bezahlen können, einen Fixzinssatz anböten? Was wäre, wenn – jene Firmen, die laut Rechnungshof in der Pandemie überfördert (insgesamt geht es um 30 Millionen Euro) worden sind, ihre Beihilfen zurückzahlten? Was wäre, wenn – René Benko 33 Millionen Euro von seinem Privatvermögen an die Republik auszahlte, damit die Steuerzahler diese Summe nicht „abschreiben“ müssen? Was wäre, wenn – sich die Signa Holding der 40 Millionen Euro „annähme“, die der Staat der Kika-Leiner-Kette an Steuern stundete? Was wäre, wenn – Pensionisten nicht länger politisch unantastbar wären und man Pensionen in Krisenzeiten sozial gestaffelt erhöhte? Was wäre, wenn – die Bundesregierung auf das Prinzip „Gießkanne“ verzichtet und wirklich Bedürftige unterstützt hätte? Was wäre, wenn – man eine schlüssige Antwort auf die Frage bekäme, warum man in österreichischen Supermärkten um ein Drittel mehr zahlt als in deutschen?
Moralische Integrität als Bedingung
Ziemlich sicher gingen die Lohnverhandlungen in der Metallindustrie, die traditionell die Richtung für die anderen Sparten vorgeben, deutlich leiser vonstatten. Die Wut jener, die aufgefordert werden, weniger zu fordern, wäre weniger ausgeprägt. Das Gefühl „die da oben richten sich’s“ wäre weniger berechtigt. Das ist Wunschdenken? Nur deshalb, weil obige Szenarien utopisch anmuten. Dennoch oder gerade deshalb ist der Forderungskatalog der Metaller keine rein ökonomische Variable. Er umfasst vielmehr die sozialethische Ebene.
Vorweg: Die Argumente der Arbeitgeberverbände sind durchaus schlüssig. Die wirtschaftliche Lage ist in der Tat schlecht. Die Konjunktur bricht ein, eine Rezession steht ante portas. Es stimmt auch, dass die Energiepreise, Produktionskosten und Lohnnebenkosten (Lohnerhöhungen noch gar nicht eingerechnet) den Industriestandort gefährden. Und ja, Arbeitgeberverhandler Christian Knill hat recht, wenn er sagt: „Unsere Aufgabe ist nicht, die Kaufkraft in Österreich zu gewährleisten.“
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